Er liebt mich, er liebt mich nicht - Gibson, R: Er liebt mich, er liebt mich nicht - Daisy's Back in Town
Wind einen Bogen beschrieb. Für den Bruchteil einer Sekunde hing der Köder in der Luft, um im nächsten Moment mit einem leisen Platschen ins Wasser zu tauchen und die Schnur mit sich zu ziehen.
Daisy ließ die Kamera sinken und wandte den Blick ab. Sie konnte sich weder vor ihren noch vor seinen Gefühlen hinter der Linse verstecken. Jack hasste sie und würde ihr niemals verzeihen. Das hatte er ihr deutlich zu verstehen gegeben. In ihrer Gegenwart war er sehr reserviert, und sie
konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum er sie aufgefordert hatte, ihn und Nathan auf dieser Angeltour zu begleiten. Er verhielt sich, als wäre sie ein notwendiges Übel, etwa wie Mückenspray. Nach dem Sommer würde sie nach Hause fahren und ihn wahrscheinlich erst im nächsten Jahr wiedersehen. Für sie und Jack gab es keine Zukunft, und trotzdem hoffte sie, dass sie eines Tages zumindest wieder Freunde sein könnten.
Bis dahin würde sie jedoch nicht untätig herumsitzen.
Sie gestaltete für sich und Nathan eine Zukunft tausend Meilen entfernt in Seattle. Inzwischen hatte sie mit Nathan über den Verkauf ihres Hauses gesprochen, und er war einverstanden. Er war traurig gewesen, genau wie sie. Das Haus beherbergte gute wie schlechte Erinnerungen, andererseits gefiel ihm die Vorstellung, in eine Loftwohnung in Belltown zu ziehen, auch wenn er deswegen die Schule wechseln musste. Daisy hatte bereits einen Makler, einen Freund von Junie, angerufen und das Haus zum Verkauf angeboten. Junie besaß schon immer einen Ersatzschlüssel, und Daisy hatte sie gebeten, einen nachmachen zu lassen und ihn dem Makler auszuhändigen.
Daisy nahm ihr Leben in die Hand. Sie war noch nie zuvor auf sich allein gestellt gewesen, noch nie allein verantwortlich für sämtliche Entscheidungen. Es jagte ihr Angst ein. Und wenn sie zu lange darüber nachdachte, stieg sogar leise Panik in ihr auf, aber sie war sicher, dass alles gut werden würde.
Es war bereits weit nach Mittag, und sie hatten Bärenhunger, als sie zurück zum Lagerplatz kamen. Während die Männer die Fische ausnahmen, deckte Daisy den Campingtisch mit einer rotweiß karierten Tischdecke, roten Plastiktellern und Besteck.
Am Vorabend hatte sie mit Jack geredet und darauf bestanden,
dass sie sich die Zubereitung der Mahlzeiten teilten. Er war zuständig fürs Abendbrot, und sie fragte sich, ob er wohl eine Dose Hot Dogs und eine Tüte Chips hervorzaubern und es als Mahlzeit bezeichnen würde.
Sie stellte Grillhähnchen, Salat und einen Korb mit Roggenbrot auf den Tisch. Als sie das Hähnchen zerlegt und ein Dressing mit getrockneten Obststückchen und Himbeeren über den Salat gegeben hatte, kamen Jack und Nathan vom Ufer herauf. Nathan hatte sein T-Shirt angezogen und trug die Baseballkappe. Sie bemerkte die verblüffende Ähnlichkeit zwischen Jacks und Nathans Bewegungen, wenn ihr Sohn vergaß, dass er cool sein wollte. In diesen Momenten wirkten sie lockerer und entspannter. Jack setzte die Sonnenbrille ab und wischte sich das Gesicht an der Schulter seines Glücksbringer-T-Shirts ab, das sich auch an diesem Tag wieder als erfolgreich erwiesen hatte, wie seine Beute von drei Barschen bewies.
»Ich ziehe mich um. Bin gleich zurück«, erklärte er, warf Hut und Sonnenbrille auf den Tisch und ging zu dem Vier-Mann-Zelt, das sie unter einer Pappel aufgeschlagen hatten. »Passt auf die Feuerameisen auf«, warnte er, wobei er die Vokale endlos in die Länge zog. Feeeeuerameisen . »Ich hab bei den Toiletten ein Nest gesehen.« Er packte sein T-Shirt, zog es sich über den Kopf und schlug gleichzeitig die Zeltplane am Eingang zurück.
»Mom«, rief Nathan.
Daisy riss den Blick vom Zelt und vom flüchtigen Anblick von Jacks bloßem Rücken los, den glatten Flächen und der tiefen Furche seiner Wirbelsäule, dem aufblitzenden weißen Gummibund über dem blauen Bund seiner Jeans …
»Hmm?«
»Was für Ameisen?«, fragte er im Flüsterton.
»Feuerameisen.« Sie lachte leise und schüttelte den Kopf. »Feuerameisen. Wenn sie dich beißen, brennt es ziemlich übel.«
Nathan grinste. »Warum sagt er das nicht gleich?«
»Er glaubt, jeder versteht seinen Akzent.« Sie gab etwas Hähnchenfleisch und Salat auf einen Teller und reichte ihn Nathan. Sie hatte Eistee in einer Thermosflasche mitgebracht, den sie in drei rote Plastikbecher mit Eiswürfeln füllte. »Und? Gefällt es dir?«, erkundigte sie sich.
Nathan setzte sich und zuckte auf seine typische Art die Achseln, was
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