Er lockte mit dem Jenseits
geebnet ist. Ich kam aus dem Jenseits. Ja, ich habe das Jenseits gesehen...«
***
Abgesehen von mir hatte mit dieser Eröffnung wohl niemand gerechnet. Aber jedes Wort war gehört worden, und die Frauen und Männer saßen da, ohne etwas sagen zu können.
Jeder schaute auf den Neuankömmling. Ich konnte nur Carlas Blick sehen, die sich nicht bewegte. Die Hände hatte sie wie zum Gebet zusammengekrampft, das Gesicht zeigte eine Starre, wie ich sie eigentlich nur von Leichen her kannte. Sie war voll und ganz auf diese Gestalt fixiert, die nichts mehr tat und nur abwartete.
Die verstreichenden Sekunden kamen mir länger vor als normal, und als ein bestimmter Zeitpunkt erreicht war, erhob Mike Dublin wieder seine Stimme.
»Es war eine völlig neue Erfahrung. Ich habe gelernt, diese Welt zu verlassen, und war in der Lage, mich in einer anderen umzuschauen. Es war wunderbar. Ich weiß jetzt, dass mir nach meinem Tod nichts mehr passieren kann.«
»Bist du denn tot?«, rief Henriette.
»Sehe ich aus wie ein Toter?«, fragte er. »Kann sich ein Toter so bewegen wie ich?«
»Aber wer das Jenseits betritt, der muss tot sein. Lebendige Menschen geraten nicht dorthin.«
»Ich bin der Beweis, dass das nicht so sein muss. Ich war dort. Jetzt bin ich hier, und ich möchte euch ebenfalls diesen wunderbaren Weg zeigen.«
»Wer hat ihn dir gezeigt?«, wollte Henriette wissen.
»Es war Marty Modine. Ja, unser Marty. Er ist einfach wunderbar.« Er streckte die Arme nach vorn. »Er ist auch nicht egoistisch. Er will sein Wissen nicht für sich behalten, sondern es mit euch teilen. Deshalb bin ich hier. Wer will mich begleiten? Wer von euch macht den Anfang?«
Mike Dublin schien nicht sehr überzeugend gesprochen zu haben, denn es gab keinen Gast, der auch nur den Anschein machte, einen Arm zu heben. Selbst die forsche Henriette nicht, die sich nur ein wenig drehte, um zu schauen, ob ich reagiert hatte.
Ich hielt mich zurück.
Mike breitete die Arme aus. »Wie kann ich euch überzeugen? Das Jenseits lockt, und wer sich dabei auf meine Seite stellt, wird wunderbare Dinge erleben. Das muss ich einmal gesagt haben. Wenn ihr Beweise benötigt, gut, ihr werdet sie bekommen, aber nicht hier an Bord. Ich brauche euer Vertrauen.«
»Können wir nicht Marty fragen?«, flüsterte einer der Männer mit hoher Fistelstimme.
»Nein, im Moment nicht. Aber ich kann euch versprechen, dass er alles unter Kontrolle hat. Ihr braucht euch wirklich keinerlei Sorgen zu machen. Marty hält die Tore offen, und ich bin ja nicht der Einzige, der den Weg gefunden hat. Erinnert ihr euch noch an Barbara? Sie war schon öfter auf dem Schiff.«
Henriette hob den Arm. »Ja, ich erinnere mich an sie.«
»Das ist gut. Bei Babs und mir hat es gefunkt. Wir sind jetzt ein Paar, versteht ihr?«
»Wie?«
»Ja, wir haben uns entschlossen zusammenzubleiben.«
»Wo denn?«, rief Henriette. »Hier oder im Jenseits?«
»Überall.«
»Wo steckt sie denn?«
»Im Moment wartet sie noch. Aber das kann sich schnell ändern. Sie hat ihre eigenen Pläne.« Mike streckte wieder die Arme aus. »Wer von euch traut sich?«
Niemand wollte den Anfang machen. Neben mir stöhnte Carla leise auf. Selbst Henriette hielt sich zurück, und ich sah, dass sie den Kopf schüttelte.
Mike Dublin sollte dennoch nicht enttäuscht werden. Ich schob mich auf meinem Stuhl etwas nach vorn und stand langsam auf. »Ich werde den Anfang machen...«
Bis auf Mike Dublin hatte wohl niemand mit einer Meldung gerechnet. Die Gäste saßen zunächst bewegungslos, bis sich einige trauten und ihre Köpfe in meine Richtung drehten. Sie konnten es nicht fassen, dass jemand den Mut aufbrachte, den ersten Schritt zu tun.
Carla krallte sich an meinem linken Jackettärmel fest. »Bist du denn lebensmüde?«
»Nein, im Gegenteil.«
»Aber das Jenseits ist nur für Tote...«
»Ist Mike tot?«, fragte ich.
»Nein. Aber...«
»Es gibt kein aber.«
Ich hatte lange genug gewartet und wollte Dublin auch zeigen, dass ich nicht bluffte. Zudem war ich gespannt, wie er auf meinen Anblick reagierte. Ob er mich in dieser fahlen Schattenwelt auf dem Deck erkannt hatte, war nicht zu sehen.
Auf dem direkten Weg konnte ich ihn nicht erreichen, und so schlängelte ich mich an den anderen Gästen vorbei. Ich musste schon ein paar Umwege einschlagen, was zudem nicht tragisch war. So hatte der Rückkehrende Gelegenheit, sich auf mich vorzubereiten. Er war es schließlich gewesen, der uns auf die Spur von Marty Modine
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