Er lockte mit dem Jenseits
gebracht hatte. Dass sich sein Schicksalsweg in den folgenden Sekunden so verändern würde, damit hatte er bestimmt nicht gerechnet.
Ich musste auch an Henriettes Platz vorbei. Die Niederländerin hatte sich so hingesetzt, dass sie mich anschauen konnte. Als ich mit ihr auf gleicher Höhe war, fasste sie mich an. Sie zupfte an meinem Hosenbein und wollte mich zurückhalten.
Für einen Moment stoppte ich.
»Hast du dir alles genau überlegt?«
»Habe ich«, versicherte ich.
»Das Jenseits kann der Tod sein.«
»Nicht immer. Schau dir Mike an.«
»Ja, ja, aber niemand weiß hundertprozentig, dass alles stimmt, was er gesagt hat.«
»Ich weiß es.«
Ihre Hand löste sich von meinem Bein. »Dann ist dir nicht zu helfen«, sagte sie.
»Keine Sorge, wir sehen uns noch.«
»Aber nicht im Jenseits, John.«
Darauf gab ich keine Antwort. Ich wollte den Rest der Strecke so schnell wie möglich hinter mich bringen und war vor allen Dingen gespannt auf Mike Dublins Gesicht, wenn er erkannte, wer da vor ihm stand.
Das Boot tuckerte nur sehr langsam weiter. Ich achtete nicht darauf, wo wir uns befanden. Wenn ich mich am Bug aufgehalten hätte, dann hätte ich sicherlich die Tower Bridge gesehen, so aber war ich auf Mike Dublin fixiert.
Er sagte kein Wort. Er musste mich jetzt erkannt haben und gab mit keiner Geste zu verstehen, dass dies auch wirklich der Fall war. Man konnte sagen, dass er sich neutral verhielt.
Es gab Licht, aber es gab auch Schatten. Die Positionsleuchten schafften es nicht, die Dunkelheit zu vertreiben, so sah Dublins Gesicht aus, als wäre es mit einer grauschwarzen Farbe bestrichen worden.
Nur die Augen stachen hervor. Sie leuchteten nicht, .Aber das fahle Totenweiß war nicht zu übersehen.
Mir war klar, dass man uns von verschiedenen Seilen beobachtete. Ich war so etwas wie der Startläufer, der den Weg für die anderen freimachen sollte.
Genau diese Rolle übernahm ich gern und schob, bevor ich meine erste Frage stellte, die rechte Hand in die Tasche, denn dort befand sich mein Kreuz.
Noch blieb es normal. Aber das hatte ich schon von der vergangenen Nacht her gekannt. Es war also für mich keine Beruhigung, aber auch kein Signal zum Angriff.
»Du kennst mich?«
Die einfache Frage würde er mir leicht beantworten können. Ich wartete auf die Antwort, aber Mike Dublin sagte zunächst nichts.
Im Vergleich zum Vormittag hatte sich sein Verhalten völlig gedreht. Er war die Ruhe selbst, er beschwerte sich auch nicht, aber er schien mit mir nicht so ganz zufrieden zu sein. In seinem Zustand würde er mich nicht um Hilfe bitten.
»Kannst du dich an mich erinnern, Mike. Wir haben uns heute in meinem Büro kennen gelernt. Du bist zu mir gekommen, weil ich dir helfen sollte. Jetzt bin ich bei dir und möchte dir helfen, aber du scheinst es nicht mehr zu wollen. Warum nicht?«
»Ich will dich nicht«, verkündete er jetzt.
»Was heißt das?«
»Ich nehme dich nicht mit ins Jenseits.«
»Ah, du bist also tatsächlich dort gewesen«, stellte ich fest.
»Ich komme von da.«
»Und?«
»Ich habe sie getroffen«, sagte er.
»Wen?«
»Barbara. Wir bleiben jetzt zusammen. Sie ist gekommen, um mich abzuholen.«
»Wo war das denn?«, wollte ich wissen.
»In meiner Wohnung.«
»Und weiter?«
»Wir sind jetzt zusammen.«
»Aber nur im Jenseits – oder?«
»Für immer.«
Es war schon interessant, diese Antworten zu hören. Nicht nur für mich, auch für die anderen Gäste auf dem Boot, die ihre Ohren spitzten, um nichts zu versäumen. Sicherlich waren sie auch froh darüber, dass sie nicht den Anfang zu machen brauchten.
»Aber du hast gewollt, dass jemand mit dir in die andere Welt geht«, sagte ich. »Deshalb bist du hier. Deshalb hat dich – wer auch immer – zurückgeschickt, um die Aufgabe zu erfüllen. Warum stimmst du mir nicht zu? Was stört dich an mir?«
»Ich will eine andere, John Sinclair.«
»He, du kennst noch meinen Namen.«
»So ist es.«
»Weißt du noch mehr?«
»Nein, nicht viel«, gab er zu. »Aber ich will nicht, dass du mich begleitest. Ich habe mir eine andere Person ausgesucht.«
»Wer ist es?«
»Henriette!«
Er hatte den Namen so laut ausgesprochen, dass er von der entsprechenden Person gehört worden war, und in meinem Rücken hörte ich den erschreckten Laut der Niederländerin.
»Warum sie?«, fragte ich.
»Ich kenne sie.«
»Schön. Und was sagt deine Barbara dazu?«
»Sie will auch, dass sich das Tor wieder öffnet und wir die Menschen
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