Er sieht dich wenn du schläfst
entschied er. Wenn es ihr gelungen ist, die beiden davon zu überzeugen, dass alle von Mama begeistert waren, sollte man sie
zur Botschafterin von Wallonia machen.
»Es freut mich, dass Ihnen Nor Kelly und Billy Campbell gefallen haben«, sagte er. »Sie wirkten so bestürzt, als sie aus Ihrem Büro kamen, dass ich schon dachte, Sie wären mit ihrer
Musik nicht zufrieden gewesen und hätten es ihnen mitgeteilt.«
Charlie spürte sofort, wie die Stimmung umschlug. Junior
schaute ihn kalt an, die Augen zu Schlitzen verengt, die Wangenknochen waren gerötet, die Halsmuskeln traten plötzlich
hervor. »Was haben Sie gesagt?«, fragte er mit eisiger Stimme.
Charlie warf einen nervösen Blick auf Eddie, dessen schlaffe
Wangen sich gestrafft hatten. Die Rührseligkeit, die Mamas
Name bei ihm ausgelöst hatte, war verschwunden. Seine Lippen
hatten sich in eine dünne, graurote Linie verwandelt.
»Ich habe nur gesagt, dass…« Er verstummte. »… dass Nor
Kelly und Billy Campbell nach dem Satellitenbesuch Ihrer Mutter aus Ihrem Büro kamen.«
»Warum haben Sie uns nicht gesagt, dass sie dort waren?«
»Junior, es bestand kein Grund. Warum hätte ich es Ihnen sagen sollen? Ich dachte, Sie wüssten es.«
»Eddie, die Tür zum Empfangszimmer stand doch offen, oder?«, fragte Junior.
»Ja.«
»Na schön, Charlie. Sie hätten uns sagen sollen, dass die beiden uns gefolgt sind. Sie hätten wissen müssen, wie wichtig
diese Information für uns ist. Jetzt müssen Sie die Singvögel
wohl anrufen.« Er legte absichtlich eine Pause ein. »Ich glaube,
Sie wissen, wovon ich rede.«
J
etzt werden die Fragen und Protokolle zu Ende sein, dachte Sterling, als er sah, wie die Leute
vom FBI Nor, Billy, Dennis und Sean die Hand schüttelten. Es
war inzwischen elf Uhr. In den vergangenen zwei Stunden hatte
das FBI die vier Zeugen unter Eid aussagen lassen.
Nor und Billy hatten sogar einen Grundriss zeichnen und zeigen müssen, wo sie gestanden hatten, als sie Hans Kramers
Stimme auf dem Anrufbeantworter hörten sowie Juniors Anordnung, das Lager in Brand zu setzen.
»Ms. Kelly, sind Sie sicher, dass die Badgetts nicht den Verdacht hegen, dass Sie in dem Raum vor ihrem Büro gewesen
sind?«, fragte Rich Meyers, der leitende Untersuchungsbeamte,
noch einmal, als er nach seiner Aktentasche griff. »Wie ich
schon sagte, wenn sie wüssten, dass Sie etwas mitbekommen
haben, müssten wir Sie sofort unter Polizeischutz stellen.«
»Ich glaube nicht, dass sie es wissen. Nach allem, was ich über die Brüder erfahren habe, hätten sie ihre Pläne für die
Brandstiftung wahrscheinlich rückgängig gemacht, wenn sie uns
gesehen hätten.« Nor richtete den Kamm, der ihr Haar hielt. »Es
gibt einen Spruch: ›Ich fühle mich wie gerädert‹…«
Meine Mutter hat das immer gesagt, dachte Sterling.
»… und genauso komme ich mir jetzt vor. Wenn Sie mit mir
fertig sind, dann gehe ich jetzt nach Hause, steige in den Whirlpool und lege mich ein paar Stunden hin.«
»Eine sehr gute Idee«, sagte Meyers verständnisvoll. »Na schön.
Wir bleiben in Kontakt. Unterdessen leben Sie normal weiter.«
Klingt einfach, dachte Sterling. Leider wird das nicht so einfach gehen.
Sean O’Brien hielt sich nur noch kurz auf, nachdem die Bundesbeamten gegangen waren. »Ich halte Sie auf dem Laufenden«, versprach er.
»Dennis, nimm dir doch einen Tag frei«, schlug Nor vor.
»Pete kann die Bar übernehmen.«
»Und ich soll auf die ganzen Weihnachtstrinkgelder verzichten? Wohl kaum.« Dennis gähnte. »Ich fange am besten gleich
an umzuräumen. Wir haben über Mittag wieder eine Gruppe zu
Gast, Nor.«
»Das hab ich nicht vergessen. Aber die müssen ohne mich
auskommen. Bis später.«
Als die Tür hinter Dennis ins Schloss fiel, sagte Billy: »Weihnachtstrinkgelder? Im Leben nicht. Er will nur sichergehen, dass
er in der Nähe ist, falls es Ärger gibt.«
»Ich weiß. Willst du auch versuchen, noch ein wenig zu
schlafen, Billy? Vergiss nicht, wir treten heute Abend noch
zweimal auf.«
»Jetzt muss ich erst einmal meine Nachrichten abfragen. Ich
hab den Jungs vorgeschlagen, dass wir uns diese Woche mal
zum Mittagessen treffen.«
Nor schlüpfte mit einem Arm in ihren Mantel. »Weil wir die
Nachricht von Hans Kramer gehört haben, stecken wir im
Schlamassel. Es wäre gut gewesen, wenn wir den Brand hätten
verhindern können, aber jetzt macht mir die Aussicht Angst,
gegen diese beiden als Zeugen aufzutreten.«
»Vergiss nicht, sie haben keine Ahnung, dass
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