Er trank das ewige Leben
wissen?
Er stand ziemlich am Rand der Nische, hielt einen Arm ausgestreckt und stützte sich an der Innenwand ab. Den Kopf hielt er etwas gesenkt, dann öffnete er sein Maul, und aus dem Unterkiefer hervor schauten seine beiden langen und bleichen Zähne, deren Spitzen wie die Enden gefährlicher Messer in die Höhe ragten.
Diese Gestalt war eine Ausgeburt an Häßlichkeit. So widerlich und scheußlich, daß die Kinder unter den Zuschauern schon Furcht bekamen, obwohl sie in den TV-Serien genügend Monster vorgesetzt kriegten. Aber dieses Wesen irrte nicht über einen Bildschirm. Hier gab es auch keinen Knopf, um die Glotze auszustellen, es hielt sich in der Nische auf und glotzte nach unten.
Dann lachte es.
Es war ein Lachen, wie auch wir es nicht alle Tage hörten. So kalt und schaurig. So grausam, so hart, und es wollte nicht aufhören, es verstärkte sich noch, weil ein Echo das andere einholte und sich dieser Widerhall überlagerte.
»Was sagst du?« flüsterte ich.
»Nichts«, erwiderte Glenda, die über ihr Gesicht strich und durch die Nase atmete. »Das ist schon eine perfekte und auch eine schaurige Schau, mein Lieber.«
»Stimmt.«
Das Lachen verklang. Langsam, beinahe genußvoll für den, der es produziert hatte.
Er blieb. Er bewegte seinen Kopf, und wer zu ihm nach oben schaute, mußte einfach das Gefühl haben, daß er ganz besonders durch die fremden Blicke betroffen war.
Ich sah ebenfalls hoch.
Und auch ich hatte das Gefühl, von ihm angestarrt zu werden. Sein Blick schien sich in meine Augen bohren zu wollen, um das Gehirn zu malträtieren. Es war einfach grausam und widerlich, und als er die linke Hand vorstreckte und sie zur Faust ballte, da galt die Drohung allen Menschen.
Im selben Augenblick erlosch der Scheinwerfer.
Für einen Moment wurde es ziemlich dunkel, bis sich das Licht der Fackeln wieder freie Bahn verschafft hatte, und jetzt, wo es dunkler geworden war, auch die Menschen wie Schattenrisse aussehen ließ.
Auf die Bühne trat wieder der Sprecher, diesmal angestrahlt. Er hielt sich nicht mehr so aufrecht wie sonst, er stand gebückt dort und schüttelte den Kopf. »Mephisto will die Frau! Mephisto will ihr Heisch, und er will ihr Blut!« Der Sprecher bewegte seinen rechten Arm. Er produzierte eine ausholende Bewegung. »Das hier ist sein Platz. Das ist der Ort seiner Rache. Das ist seine Bühne. Die Helfer haben ihm die Frau gebracht. Aber wo befindet sie sich jetzt? Wo hat man sie hingeschafft? Wir wissen es nicht. Nur er und sie wissen es, aber unsere Geschichte ist damit nicht beendet. Wir müssen alles versuchen, um die Unschuld zu retten. Sie darf nicht sterben, nicht unter den Klauen und Bissen des Mephisto…«
Seine Stimme versickerte, und er selbst sank auf die Knie, die Arme flehend gen Himmel gereckt. Aus dem Hintergrund drangen plötzlich Rauchwolken hervor. Es sah aus, als hätte sich das Gestein aufgelöst.
Der Rauch hüllte den knienden Mann ein, der plötzlich damit begann, Beschwörungen zu sprechen, als wollte er eine höhere Macht bitten, ihm zu helfen.
»Die Geschichte geht weiter«, murmelte Suko. »Bleiben wir noch?«
»Nein.«
»Okay. Was ist, wenn ich ihn treffe – oder du?«
Ich ließ mir mit der Antwort Zeit. »Suko, wenn ihn einer von uns erwischt, werden wir ihn auf die Probe stellen müssen. Ich weiß noch immer nicht, wer sich hinter ihm verbirgt. Marek berichtete uns, daß er echt ist. Ich werde es mit dem Kreuz versuchen, teste du ihn mit der Peitsche.«
»Mache ich.«
Wir standen auf, zumindest ich kam nicht in die Höhe, weil Glenda mich festhielt. »He, wo wollt ihr hin?«
»Uns umschauen.«
»Mephisto?«
»Wen sonst?«
Sie räusperte sich. »Wir könnten mit euch gehen. Acht Augenpaare sehen mehr als vier.«
»Nein, laß mal. Schaut euch die Schau genau an. Wenn euch etwas komisch vorkommt und wir nicht in der Nähe sind, dann greift ein.«
»Wie denn?«
»Das überlasse ich euch.«
Glenda wandte sich an Shao. »Verstehst du, was sie meinen?«
»Noch nicht.«
»Bis gleich«, sagte ich und drückte mich in den Mittelgang hinein, den ich geduckt durchlief. Suko blieb hinter mir. Hin und wieder warf man uns verständnislose Blicke zu, denn niemand begriff, daß wir jetzt verschwanden.
Auf der Bühne ging das Theater weiter. Wir hörten den Mann, wie er um Hilfe bat und die Worte immer drängender wurden. Er rief nach einem Edelmann und Ritter, der das Mädchen aus den Klauen der Monster, letztendlich auch aus denen
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