Er trank das ewige Leben
gewesen sein. Es gibt keine andere Lösung.«
»Oder war es jemand aus der Künstlertruppe?«
»Nein, Suko.«
»Unsinn«, sagte Shao. »Er gehört doch dazu. Die Gruppe trägt sogar seinen Namen.«
»Sorry, stimmt auch wieder.« Der Inspektor nickte.
»Und du wolltest ihn stellen, nicht wahr?«
Ich nickte Glenda zu. »Klar, mit ihm reden. Herausfinden, was überhaupt läuft. Leider war er verschwunden.«
»Er wird den Braten gerochen haben«, sagte sie. »Das kann sein.«
»Lassen wir uns überraschen.« Ich streckte die Beine so weit wie möglich aus und wartete darauf, daß die Schau begann. Wenn sie die Uhrzeit einhalten wollten, hatten sie noch eine Minute Zeit.
Die Musik spielte noch immer. Orgelklänge drangen an unsere Ohren.
Sie hörten sich dumpf und unheimlich an, als wollten sie den Auftritt irgendwelcher Monster begleiten.
Auf dem Burghof verteilte sich ein seltsames Zwielicht. Es sah aus wie dünnes Rauchglas, das seine dünnen Spuren in der Luft hinterlassen hatte.
Alle Zuschauer warteten gespannt auf den Beginn. Selbst die Kinder waren still geworden. Lichtschein huschte plötzlich über den Boden. Es war der Widerschein einer Fackel, die jemand in der Hand hielt, als er über den Burghof schritt. Er hatte die Fackel nur als Instrument genommen, um damit andere anzuzünden, die fest im Boden steckten.
Wir hörten alle das Zischen, als das Material Feuer fing, drehten uns um und erlebten eine fahle, rötliche Helligkeit, die durch die Luft strich, aber auch den Boden und uns Zuschauer ebenfalls erfaßte. Bald leuchteten die acht Fackeln an den Seiten, und dann wurden auch diejenigen angezündet, die sich vor der Bühne befanden.
Die beiden Fackelanzünder waren dunkel gekleidet, so daß es aussah, als würden die Fackeln nur allein durch die Luft gleiten. Alles andere war verschwommen und verschwunden, selbst die Gesichter der Akteure, die nicht bleich geschminkt waren.
Die Musik blieb. Jetzt untermalt von einem Frauengesang, der unheimlich klang, als wären die Stimmen sehr weit entfernt. Die Frauen sangen weich, aber auch klagend, vergleichbar mit irgendwelchen Geistern.
Zusammen mit der Dämmerung und dem Schein der Fackeln war es schon etwas Besonderes und hinterließ sicherlich bei nicht wenigen Menschen eine Gänsehaut.
Wir warteten ab.
Es mußte etwas geschehen. Ich schaute nach vorn. Jenseits des Fackelscheins, im Bereich der Freilichtbühne, entdeckte ich die ersten Bewegungen. Lautlos glitt ein Körper dahin, und ich mußte daran denken, daß hier mit keinen technischen Tricks gearbeitet wurde. Daß man ohne Laser auskam, ohne harte Lichthämmer, ohne das gesamte technische Know-how, was sonst bei diesen Shows zur Verfügung stand. Man arbeitete mit den einfachsten Mitteln, für die heutige Zeit schon mittelalterlich, aber man erzielte damit den gleichen Effekt, wenn nicht einen schaurigeren, denn Zuschauer wurden auch so angelockt.
Und sie warteten voller Spannung und Ungeduld.
Ich hielt so gut wie möglich Ausschau nach unserem Freund Mephisto.
Er hatte sich noch nicht gezeigt und steckte wahrscheinlich in einem Loch, von dem aus er die Zuschauer unter Kontrolle hielt. Er war ja darauf aus, an das Blut oder Fleisch seiner Opfer heranzukommen, und mir drehte sich der Magen um, wenn ich daran dachte.
Auch Suko saß nicht ruhig auf seinem Platz. Kopf und Augen bewegten sich. Als sich unsere Blicke begegneten, fragte er: »Du hast ihn auch nicht gesehen, wie?«
»Nein, habe ich nicht.«
»Dann lassen wir uns überraschen.«
Glenda stieß mich an. Sie wollte mich darauf aufmerksam machen, daß es bald losging. Ich blickte zur Bühne und entdeckte jenseits der Lampen die schwachen Bewegungen der Menschen. Sie tanzten dort wie Schatten auf uns nieder, aber einer löste sich aus der Reihe und trat vor.
Er schob sich langsam in den Schein hinein, und es sah für uns Zuschauer so aus, als würde er aus dem Boden wachsen.
Es war nicht Mephisto.
Er war ein Mann mit grauen Haaren und einem roten, enganliegenden Kostüm. Er nahm den Beifall entgegen, verbeugte sich, klatschte ebenfalls dem Publikum zu, bevor er die Luft einsaugte und dies sogar hörbar tat. Er sprach mit normaler Stimme, nicht über Lautsprecher, und wir Zuschauer mußten erleben, daß in diesem Burghof eine ausgezeichnete Akustik herrschte.
Der Mann sprach englisch, und es war ein Prolog, den er von sich gab.
Er begrüßte uns, er redete von seiner Heimat und von all den Geschichten, die man sich dort
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