Er trank das ewige Leben
sich wohler als im Licht, wo er zu leicht als Ziel eines Angriffs ausgemacht werden konnte.
Abbot bückte sich, um die Matratze anzuheben. Um ihn herum war es still, auch draußen rührte sich nichts, aber ein Geräusch erschreckte ihn trotzdem.
Er hörte es hinter sich.
Im Wagen oder außerhalb?
Abbot dachte zunächst nicht mehr daran, die Kassette zu verstauen. Er stellte sie auf die Matratze und richtete sich langsam auf. Dabei spürte er ein Ziehen im Nacken, das sich bis zum letzten Wirbel hinzog. Er konnte plötzlich nichts mehr tun. Nicht wegrennen, nicht schreien, kaum atmen.
Er starrte dorthin, wo er auch hergekommen war.
Da bewegte sich etwas.
Schon innen oder noch außen? Er wartete ab. Ein leises Schleifen, ein Schatten, der sich auf dem Boden und auch halbhoch darüber bewegte und plötzlich von einem zweiten Schatten ausgefüllt wurde.
Abbot wußte genau, was da geschehen war. Jemand hatte nach ihm den Wagen betreten. Ein Dieb, ein Einbrecher, der ihm die Einnahmen entreißen wollte.
Oder doch nicht?
Der Geruch war wieder da, den er auf seinem Herweg schon einmal wahrgenommen hatte.
Alt, nach Verwesung und nach Fäulnis riechend. Nicht unbekannt, denn heute roch er ihn nicht zum erstenmal. Er erinnerte sich plötzlich wieder daran.
So hatte Mephisto gerochen.
Ja, genau so!
War er gekommen?
Abbot starrte nach vorn. Da bewegte sich die Gestalt, und sie hob auch ihren Kopf an. Der Blick war nach vorn gerichtet, das wußte Abbot, aber von den Augen sah er nichts. Sie waren tief in den Höhlen verschwunden. Dafür aber schimmerte ein blasser Fleck über dem Boden und in der Dunkelheit.
Sein Gesicht!
Der Agent und Manager saugte die Luft ein. Er hatte das Gefühl, in der feuchten Luft zu zerfließen. Es kostete ihn Kraft, eine Frage zu stellen.
Gleichzeitig dachte er daran, daß dieser Mephisto ja im Innenhof sein mußte und hier nichts zu suchen hatte.
»Was willst du, verdammt?«
»Dich!«
Die Antwort war klar und deutlich, und so direkt, daß Abbot das Gefühl hatte, damit wäre sein Todesurteil gesprochen worden.
Er wußte nur nicht, wie er die Dinge in die Reihenfolge bringen sollte.
Warum war dieses Wesen denn bei ihm eingedrungen?
Wesen…
Ja, etwas anderes war dieser Mensch nicht. Er sah ihn nicht mehr als einen Menschen an, sondern nur als ein Wesen, und der Name Mephisto traf bestens zu.
Mephisto, Teufel…
Auch er war ein Wesen. Er war das Böse, das Grausame und Menschenverachtende.
Abbot dachte wieder praktisch und stellte fest, daß der Weg zur Tür versperrt war. Er würde an dieser Gestalt nicht vorbeikommen, das stand für ihn fest. Fenster gab es zwar, aber die waren zu klein, und er hätte sie auch erst einschlagen müssen.
Zwei Möglichkeiten blieben ihm.
Gewinnen oder verlieren!
Trotzdem versuchte er es mit Reden. Abbot hatte immer viel gesprochen in seinem Leben. Das war seine große Stärke, denn er hatte andere davon überzeugen können, auf seine Wünsche einzugehen. Und auch jetzt nahm er Anlauf.
»Gut, du willst mich. Was willst du mit mir? Ich bin hier. Wir können sprechen…«
Mephisto schüttelte den Kopf. »Nicht sprechen. Nicht sprechen. Ich brauche deinen Saft. Ich will das ewige Leben…«
Saft, das war Blut. Und das ewige Leben war ebenfalls Blut. Etwas anderes gab es einfach nicht.
Ewiges Leben… Wer lebte ewig?
Die Gedanken rasten durch seinen Kopf. Ewig lebte niemand. Zumindest kein Mensch. Aber in den Sagen und Legenden gab es die Gestalten, die sich vom Blut anderer ernährten und so das ewige Leben genossen, wenn auch anders, als es die Religionen versprechen. Als seelenlose Monster, als Untote. Der Vampirismus hatte in den Ländern des Balkans Tradition. Bisher hatte sich Abbot geweigert, daran zu glauben, doch jetzt, wo sich die düstere Gestalt mit dem bleichen Gesicht langsam in Bewegung setzte und auf ihn zukam, da wurde sein gesamtes Weltbild ad absurdum geführt.
Jemand, der nicht leben durfte, hatte das ewige Leben.
Furchtbar und unvorstellbar!
Der nächste Schreck traf ihn, als er in die Augenhöhlen hineinblickte.
Bisher hatte sie Abbot nur leer erlebt. Das waren sie nicht mehr. Tief in ihnen, wie in einem Schacht, glühte etwas in einem unheimlichen und dunklen Rot auf. Zwei Punkte, vergleichbar mit zwei runden Blutflecken, die aus irgendwelchen Untiefen hervorgestiegen waren und nun andeuteten, zu was diese Gestalt alles fähig war.
Abbots Herz schlug schneller. In seinen Ohren und auch in seinem Kopf vernahm er
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