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Er trank das ewige Leben

Er trank das ewige Leben

Titel: Er trank das ewige Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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erzählte. Von Märchen, von Legenden, manche grausam, andere wiederum hintersinnig und fein. Von den uralten Grüften in verschwundenen Schlössern und von den dort begrabenen Gestalten, die nicht tot, sondern untot waren, wobei sie in der Nacht immer wieder ihre alten Grabstätten verließen.
    Er redete von Vampiren, von Werwölfen, von geheimnisvollen Geisterfrauen und Hexen. Er sprach mit einer ruhigen, aber hohl und unheimlich klingenden Stimme, als würde sie aus einer düsteren Gruft hervorkommen.
    Und er erklärte uns Zuschauern, daß es Künstler gäbe, die all diese Geschichten aufgesaugt hätten, um sie in bestimmten Darbietungen umzusetzen.
    Musik, Gestaltung, auch Tanz, das alles kam bei ihnen zusammen. Sie wollten den Schrecken begreifbar machen, den sie alle in einem Begriff zusammengefaßt hatten.
    »Mephisto!« rief er laut und riß dabei die Arme hoch.
    Wir rechneten damit, daß unser Freund erscheinen würde, doch den Gefallen tat er uns nicht. Statt seiner erschien niemand, nur der Sprecher zog sich zurück, und aus den Lautsprechern erklang ein dumpfer Trommelwirbel, der einen Beifall der Zuschauer erst gar nicht aufkommen ließ.
    Es war wieder Zeit, um sich zu entspannen, und wir lehnten uns auch zurück.
    Nichts passierte, was zu einem Eingreifen berechtigt hätte. Dafür sahen wir den Kegel eines Scheinwerfers, der durch die Finsternis huschte, sich senkte und über den Boden glitt, wobei er eine leichenbleiche Fläche hinterließ. Dann traf er sein Ziel.
    Es war die Mauer vor uns, die auch die Rückseite der Bühne bildete. Ein großer, weißer Kreis war dort entstanden, der mich an einen blassen Mond erinnerte.
    Noch hatte er nur das Mauerwerk erwischt und dort die runde Insel hinterlassen.
    Leer blieb sie nicht.
    Von der Seite huschte jemand heran. Ein Schatten zuerst, dann, als die Gestalt den Lichtschein erreichte, sahen wir, daß es eine junge Frau mit langen, schwarzen Haaren war. Sie trug ein weißes Kleid, das heftig um ihren Körper wallte. Die Arme bewegte sie müde, aber gleichzeitig wie eine Tänzerin, und wir mußten feststellen, daß diese Zeitlupen-Bewegungen perfekt aufeinander abgestimmt waren.
    Im Schein blieb sie für einen Moment stehen. Ihr Kopf zuckte in die Höhe. Das lange, schwarze Haar bewegte sich dabei wie eine Fahne, dann ließ sie sich auf die Knie fallen und riß gleichzeitig die Arme in die Höhe. Sie faltete sich regelrecht auf dem Boden zusammen und wirkte völlig erschöpft.
    So blieb sie liegen.
    Der Sprecher erschien mit lautlosen Schritten. Er blieb schräg hinter der Frau stehen und deutete auf sie. »Es ist die Unschuld, die Gejagte. Es ist die Person, die genau weiß, daß es Monster gibt. Sie fürchtet sich vor ihnen. Sie rennt weg. Sie kann nicht allein bleiben. Sie erlebt immer wieder den Horror, denn sie weiß, daß sie in einem Land lebt, wo das Grauen zu Hause ist. Noch hat es sie nicht entdeckt, aber warten wir ab, was bald passieren wird.« Der Mann hörte auf zu reden. Er spielte gut, denn er schrak zusammen, schaute sich um und flüsterte dem Publikum entgegen. »Ich höre ihn. Er kommt. Er hat sie bereits gerochen. Er ist ganz, glaube ich…«
    Blitzschnell zog sich der Mann zurück. Für uns sah es aus, als wäre er von der Dunkelheit gefressen worden. »Was kommt jetzt?« murmelte Glenda. »Mephisto?«
    »Keine Ahnung.«
    »Dann lassen wir uns mal überraschen.«
    »Sicher.«
    Alle wärest gespannt. Da das Gelände zu uns hin leicht abfiel, lag die Aktionsebene etwas erhöht, und so konnten auch die Kinder dem Geschehen zuschauen.
    Noch lag die Frau auf dem Boden. Richtig bühnenreif, Beine angezogen, Arme vorgestreckt, zumindest den linken. Den rechten hatte sie ein wenig angewinkelt.
    Aber sie bewegte sich.
    Zuerst zog sie den ausgestreckten Arm an, danach das Bein. Sie drückte sich mit geschmeidigen Bewegungen in die Höhe und blieb schließlich sitzen, das Gesicht uns zugedreht. Das helle Licht ließ ihre dunklen Augen gut hervortreten, und wir sahen die Furcht in den Pupillen.
    Zumindest bildeten wir uns dies ein. Jedenfalls war ich von ihrer weiteren Pantomime angetan. Sie schüttelte den Kopf und schüttelte damit auch ihre Haare aus, das in langen, schwarzen Wellen um ihre Schulter floß und sich wie schwarze Schleier auf den Kleiderstoff über den Brüsten legte. Die Frau preßte ihre Hand dorthin, wo das Herz schlug. Das Gesicht zeigte ein noch größeres Erschrecken, sie bewegte den Kopf nach rechts und links, als suchte sie

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