Er trank das ewige Leben
anbrechenden Nacht allein, aber diese Unruhe steckte einfach in ihm und wollte auch nicht weichen.
Obwohl er das Geld gern verstaut gehabt hätte und es dementsprechend eilig hatte, ging er langsamer. Immer wieder mit zögernd gesetzten Schritten, dabei dachte er darüber nach, wer als Verfolger in Frage käme.
Abbot war ein praktischer Mensch. Er trug relativ viel Geld bei sich, und so etwas konnte sich auch schnell herumgesprochen haben, obwohl er den Zuschauern das nicht zutraute. Sie würden ihn nicht überfallen, aber auch andere wußten Bescheid, die sich nicht im Innenhof befanden.
Fremde Menschen, die von der Show gehört hatten und sie unter Beobachtung hielten. Nein, da war nichts, wie er nach einem weiteren schnellen Dreh herausfand. Er war und blieb allein, atmete tief durch, schüttelte den Kopf und schalt sich einen ängstlichen Narren.
Locker wollte er nicht werden. Die Spannung blieb bestehen. Er runzelte die Stirn, als er einen anderen Geruch wahrnahm, der den der Wiese überlagerte.
Roch es nach Moder? Nach irgendwelchen Abfällen oder nach verfaultem Fleisch?
Abbot drehte sich wieder und suchte die Umgebung ab. Abermals wurde er enttäuscht. Er sah niemanden und fand auch nicht die Quelle des Geruchs heraus.
Schlimm? Seltsam? Zumindest ungewöhnlich, auch wenn er den Gestank plötzlich nicht mehr wahrnahm, weil er sich verflüchtigt hatte. In dieser Umgebung fühlte er sich unwohl. Ob es an dem Stück lag, wußte er nicht. Er kam eigentlich mit allen Akteuren zurecht, bis auf einen, eben diesen Mephisto. Damit hatte er Probleme, aber nicht nur er, auch die anderen mochten ihn nicht. Sie hielten sich von ihm fern, denn irgendwie paßte er nicht zu ihnen.
Er war so falsch herumgedreht und zugleich so echt!
Genau, das war es.
Mephisto war echt.
Er gehörte zu denjenigen, die die Rolle nicht spielten, er war eben diese alte Legende aus dem Donaudelta, über die Abbot ebenfalls Bescheid wußte, denn jede Figur hatte irgendeinen Hintergrund. Das Stück erzählte eben viel aus der Legendenwelt dieses Landes, aber Legenden waren Legenden und lebten nicht.
Oder?
Abbot, der Kaufmann, der Realist, war plötzlich unsicher geworden. Er merkte, daß die Angst von ihm Besitz ergriffen hatte. Er machte sich jetzt den Vorwurf, sich nicht intensiver mit der Gestalt des Mephisto befaßt zu haben. Die anderen hatten ihn aufgetrieben und eben das Stück um ihn herum aufgebaut. War er noch ein Mensch?
Während Abbot seine Schritte wieder beschleunigte und die Füße durch das Gras schleiften, dachte er darüber nach. Mephisto ging auf zwei Beinen. Besonders schrecklich war sein Gesichtsausdruck.
Jemand aus der Truppe hatte ihm erzählt, daß dieses Gesicht echt war, daran glaubte Abbot mittlerweile auch, es war eben zu viel geschehen, und er hatte dieses menschliche Monstrum nie anders gesehen.
Als sich die Umrisse der abgestellten Wohnmobile wie düstere Kästen in der Dunkelheit zeigten, hätte Abbot eigentlich aufatmen und erleichtert sein können. Seltsamerweise passierte ihm das nicht. Vielleicht war es hier zu dunkel. Hinzu kam, daß auch die Ruine der Burg von der Finsternis verschluckt worden war. Da schienen sich die Mauern in die Wolkenberge zurückgezogen zu haben, und nur der schwache Widerschein der Fackeln und hin und wieder ein Laut bewiesen ihm, daß sich in der Nähe noch so etwas wie Leben befand. Die Wagen standen sich gegenüber und bildeten fast einen Halbkreis. Abbot hatte seinen nach vorn gestellt. Er wollte an der Fahrerseite einsteigen, zögerte aber noch mit dem Aufschließen. Bevor er den Schlüssel drehte, wandte er sich um, weil er noch einmal zurückschauen wollte.
Dunkel und flach lag die Strecke vor ihm, die er gekommen war. Es war keine Bewegung zu sehen. Nicht mal ein Hase hoppelte über die Grasfläche.
Slim Abbot hob die Schultern. »Da habe ich mich wohl geirrt«, sagte er mehr zu sich selbst und drehte endlich den Schlüssel um. Dann zerrte er die Tür auf. Die Sonne hatte tagsüber den Wagen aufgeheizt, und Abbot mußte sich überwinden, in das Fahrzeug einzusteigen. Darin gab es ein Bett, einen Tisch, zwei kleine Stühle und eine Kochgelegenheit. Dusche und Toilette fehlten aus Platzmangel.
Die Kassette wollte er im Bettkasten verstecken. Einen anderen Ort wußte er nicht. Er blieb vor dem Bett stehen und dachte daran, daß er kein Licht eingeschaltet hatte.
Das sollte auch so bleiben, die Batterie mußte geschont werden. Obwohl er im Dunkeln stand, fühlte er
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