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Er war ein Mann Gottes

Er war ein Mann Gottes

Titel: Er war ein Mann Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jäckel
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berührt. Ich wand mich unter den Fingern, doch sie blieben an mir.
    Ob ich es schön fand? Erregend? Nein. Seine Hände wandelten über mich und in mich und ich war nicht wirklich anwesend, ich schaute von außen zu. Noch immer vom Sekt benommen, empfand ich meine Haut, meinen ganzen Körper, mein Denken, einfach alles wie eingeschlafen, wie taub oder so, als liege eine dicke Decke darüber, durch die hindurch ich Frederics Berührungen wahrnahm, aber nur indirekt spürte.

    Einmal sagte ein Mädchen, das sich immer wieder ritzte, zu mir: »Das Blut, die Blutstropfen, das sind die roten Tränen, die meine Augen nicht weinen dürfen.«
    In dieser Nacht weinte auch ich nur blutige Tränen, indem ich mir auf die Zunge und auf die Lippe biss, bis es schmerzte und blutete. Es tat mir gut, mich durch diesen Schmerz zu fühlen. Es war, als würde dadurch meine fremde, eiskalte Haut zu brennen beginnen.
    Ich merkte, dass ich irgendwie nicht bei mir war, während etwas mit meinem Körper geschah, was ich spürte und dennoch nicht fühlte.
    »Was ist das jetzt wieder? Was macht er da?« So schwammen die Gedanken durch meinen Kopf, während ich Frederics Körper spürte, der sich auf mich schob, über mich legte, sich zwischen meine Beine drängte, sich hitzig, heftig fordernd an mir, an meiner Kleidung rieb. Sein heftiger Atem an meinem Hals, sein seltsames Stöhnen im Rhythmus der Bewegung.

    Küsste er mich auf den Mund? Ich weiß es nicht. Ich hätte niemals gewagt, ihn wiederzuküssen. Ich legte nicht einmal meine Arme um ihn. Die Ehrfurcht vor dem Priester war mir in Fleisch und Blut übergegangen.
    Zuletzt erinnere ich mich an einen leidenschaftlich aufbrandenden, rauen Laut und Frederics harten Griff um meinen noch nicht voll entwickelten Busen, so dass der Schmerz mich aufschreien ließ und meine Starre, meine stumme Flucht aus mir selbst beendete.
    Mit weit offenen Augen lag ich da, während Frederic sich von mir zurückzog und im Schutz der Dunkelheit nicht nur seinen Anzug, sondern auch mein T-Shirt zu glätten und zurechtzuzupfen versuchte.
    »War es schön? War es auch schön für dich?«
    Schon wieder seine Fragen. Ich schwieg. Nur meine Beine zitterten noch genauso wie vorhin auf der Lichtung, als er mich zum ersten Mal umarmt hatte.
    Frederic ließ den Wagen an. »Wenn du mit der Hand neben dich fasst, kannst du den Sitz wieder hochziehen.« Ich gehorchte, legte meine Arme um die Knie, damit das Flattern aufhörte.
    »Jetzt«, sagte Frederic ins Dunkel hinein, während er den Wagen mit Abblendlicht wendete, um möglichst unbemerkt zur Hauptstraße zurückzukehren. »Von jetzt an sind wir echte Freunde.«

    Am nächsten Morgen wachte ich auf. Die Sonne schien zum Fenster herein, als sei nichts geschehen. Sie biss in meine geröteten Augen. Ich hatte rasende Kopfschmerzen. »Besoffen«, dämmerte es in mir, während ich die Lider abschirmte und diesen Kopf am liebsten abgeschraubt hätte. »Du hast dich besoffen. Mit Frederic. Du hast einen Kater.«
    Und dann wusste ich nicht, was ich denken sollte, als ich mich zu erinnern versuchte, doch in wachsweichen Nebel aus lückenhaften Bewusstseinsblitzen und seltsam fernen Empfindungen griff und nur noch eine Hoffnung hatte: »Das war jetzt alles, nicht wahr?«

    Vielleicht hätte ich es in meinem dringenden Wunsch tatsächlich geschafft, das Geschehene von mir abzuspalten, doch Frederic selbst sorgte dafür, dass es unvergessen blieb. Zu meiner Überraschung hatte er nämlich ein Geschenk für mich, ein Kreuz.
    Als Frederic mir das Kreuz schenkte, um mir damit ein sichtbares Zeichen unserer ewigen Verbundenheit als »Freunde in Jesus Christus« um den Hals zu legen, nahm ich es als ein Heiligtum an und glaubte später in meiner schwärmerischen Verehrung sogar, es sei wundertätig und erfülle mir äußerst weltliche Wünsche, sooft ich nur innig genug davor betete. Ich trug es fortan überall bei mir, zumeist in der Hosentasche, und beschwor mit der Berührung eine Wirklichkeit unserer Freundschaft, die in Wahrheit vor der Wirklichkeit keinen Bestand hatte.

Allmähliches Begreifen

    Frederic hatte mich unter all den Mädels ausgewählt, weil er von mir aus der Beichte wusste, dass ich mir eine Freundschaft mit einem katholischen Geistlichen vorstellen konnte.
    In Assisi hatte er es wider Erwarten nicht geschafft, sexuellen Kontakt mit mir zu haben. Also bestrafte er mich anschließend wochenlang mit Liebesentzug für meinen Widerstand, so dass er sicher sein

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