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Er war ein Mann Gottes

Er war ein Mann Gottes

Titel: Er war ein Mann Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jäckel
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wie erregt er war. Ich konnte es nicht aussprechen, weil er es nie zugegeben hätte. Doch ich hatte recht, er wollte mich. Hier, mitten im Wald. Wo uns keiner sehen würde. Ich merkte das. Aber ich wollte es nicht. Ich war doch noch ein Kind.
    »Bitte, ich will heim. Mir ist kalt.«

    Frederic lachte leise auf. »So, so, kalt ist dir also? Ja, was machen wir denn da?«
    Warum schien er mein Zittern bloß so zu genießen? Bildete er sich ein, es wäre, weil auch ich ihn wollte? Krampfhaft versuchte ich, weniger zu zittern. Es klappte nicht.
    »Komm her.« Frederic umarmte mich fester. »Das haben wir gleich.«
    Sein Atem ging schwer, während er mich enger an sich drückte und dabei seine Strickweste unter uns beiden hervorzog, um sie mir um die Schultern zu hängen. Seine Hände glitten wieder über meine Brust, während er die langen Ärmel verknotete. Mich schauderte.
    »So arg kalt ist dir? Arme kleine Maus!« Als wolle er mich zusätzlich mit dem eigenen Körper wärmen, umarmte Frederic mich noch enger und presste sich dabei in derselben drängenden Weise an mich, wie er es schon in Assisi getan hatte.
    »Ich will heim!« Weinerlich wie damals stieß ich es endlich hervor. »Bitte, ich will heim. Ich will sofort heim. Bitte!«
    Sein Arm schien festgeklebt zu sein, so langsam zog er ihn endlich von mir ab. Als ich aufsprang, stolperte ich gegen ihn. Einen Moment schien es, als wolle er endgültig gemeinsam mit mir umfallen. Stieß ich ihn weg? Ich weiß es nicht genau. Er hielt meine Hand, als wir zum Auto zurückgingen. Es wurde bereits dunkel. Ich hätte Frederic sowieso nicht anzuschauen gewagt.

Wahre Freunde

    Wenn ich heute daran zurückdenke, wie der Abend im Wald zu Ende ging, überkommt mich immer noch so etwas wie eine Lähmung, und zwar eine Lähmung der Erinnerung. Kennen Sie das Geräusch, wenn Sie bei leicht geöffnetem Fenster relativ nah an den Straßenbegrenzungspfählen vorbeifahren und jeden dieser Pfosten hören, als ratterten Sie mit einer Draisine über einen stillgelegten Schienenstrang? Ungefähr so wie dieses seltsame Geräusch verhält es sich mit meinen Erinnerungen. Wenn ich konkret werden will, wenn ich erzählen will, was genau geschah, greife ich in die Lücken und an den Pfosten des Geschehens vorbei.
    Der Sekt benebelte mich völlig. Bis heute ist alles, was damals geschah, unwirklich. Ich glaube nicht, dass ich etwas verdrängt habe. Es ist viel mehr so, dass der Alkohol alles irreal machte. Ich fühlte mich ganz wie in einem Albtraum, aus dem ich einfach nicht erwachen konnte und den ich jedes Mal, wenn ich kurz erwachte, an derselben Stelle weiterträumen musste.
    Zur Erinnerung, dass es kein Albtraum war, klebte ich eine inzwischen vertrocknete Tannennadel zu den dürftigen Zeilen, die ich über die Heimfahrt ins Tagebuch schrieb. Ich hatte sie in meiner Kleidung gefunden. Sie war die Verbindung zur Wirklichkeit.

    Schwerfällig in Frederics Auto steigen, den Sicherheitsgurt anlegen und die Augen schließen waren wie eine Bewegung. Ich merkte kaum, wie der Motor angelassen wurde und Frederic uns aus der Dunkelheit des Waldes hinauschauffierte. Seine Hand auf meinem Bein blendete ich aus.
    Was sprachen wir unterwegs? Redeten wir überhaupt? Ich erinnere mich nur, dass ich furchtbar erschrak, als Frederic plötzlich in einen schmalen Pfad abbog.
    »Wohin fährst du? Warum machst du das?« Wie alarmiert setzte ich mich auf und versuchte, zwischen den an die Frontscheibe gelegten Händen ins Dunkel hinauszustarren.
    »Ich muss dir noch etwas sagen.«

    Blitzlichtartig tauchte ein Bild in mir auf, wie der Wagen mit auf- und abtauchenden Scheinwerferlichtern durch ein paar Schlaglöcher rumpelte und irgendwo ganz unvermittelt auf einem unbeleuchteten Parkplatz stehen blieb. Dann sehe ich Frederics unnatürlich weiß wirkende Hand, die den von allerlei Klimperkram umgebenen Zündschlüssel drehte. Gleichzeitig mit dem Scheinwerferlicht erstarb der Motor. Nur der Kühler brummte nach, während der schwarze Wald das schwarze Auto verschlang und die Innenraumbeleuchtung im Finstern erstarb.
    Ehe ich recht begriff, was geschah, spürte ich, wie Frederic sich über mich beugte. Mit einem Ruck klappte die Rückenlehne des Beifahrersitzes nach hinten. Es gab nicht einmal eine Schrecksekunde für ein »Nein!«, geschweige denn zur Gegenwehr.
    Frederics Mund, seine Hände an mir. Unter dem T-Shirt, auf meinem nackten Bauch, unter dem BH, dem Hosenbund. Überall. Nie hatte mich jemand so

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