Er war ein Mann Gottes
zu ihm zu kommen. Es gäbe noch so viel zu besprechen, meinte er.
Wahrscheinlich hätte ich damit rechnen müssen, dass er bis zu diesem Treffen nicht mehr nüchtern bleiben würde und es dann nicht so schön mit ihm werden würde wie bei Tag.
Inzwischen glaubten Franziska und ich nämlich zu wissen, dass Frederic anscheinend nur deshalb so schnell betrunken wurde, weil der Messwein zu schwer war, den er Kraft seines Amtes trinken musste. Es war doch komisch, dass er so schnell einen roten Kopf bekam, sobald er den Becher geleert hatte, so dass es aussah, als scheine die Farbe des Weines durch seine Haut. Wenn ich meinen verehrten Vikar dort oben am Altar stehen und Messwein trinken sah, konnte ich die Tränen kaum zurückhalten, so traurig fand ich, was ich dort sah.
Es war ja nicht bloß der rote Kopf. Es kam uns vor, als hätte er immer öfter Mühe, einen Text aus dem großen Gebetbuch vorzulesen, das vor ihm auf dem Altartisch lag. Oft nuschelte er vor sich hin und ratterte die heiligen Worte herunter, als wäre er mit seinen Gedanken weit weg.
Manchmal benahm er sich so ungeniert am Altar, dass er laut gähnte, ohne die Hand vor den Mund zu halten oder mit den Händen fuchtelte und ganz laut »Pst!« zischte, um den jüngsten Ministranten, die das Schwätzen einfach nicht lassen konnten, Schweigen zu bedeuten.
Wie es hieß, war er kürzlich sogar bei einer Beerdigung so unsicher auf den Beinen gewesen, dass er beim Einsegnen des Sarges fast in die Grube gestürzt wäre. Und bei einer Trauung war er angeblich so betrunken, dass er sich am Altartisch fest-halten musste.
Franziska und ich fanden es sehr peinlich. Dennoch vertraute ich Frederic auch weiterhin.
Als ich an diesem Abend zu ihm kam, begrüßte er mich stolz mit einer schön verpackten Flasche Kirschlikör und einer Umarmung mit Küsschen. Aufgeregt wie ein kleiner Junge spielte er mir seine neueste CD vor, die ich noch nicht kannte, weil er sie erst in den letzten Tagen erworben hatte. Es waren zwar bloß Peter-Maffay-Schnulzen, aber das »Nur du-u-u!« bei Kerzenlicht ging mir runter wie Honigseim.
Und plötzlich ging alles wieder ziemlich schnell. Ich auf seinem Schoß, die Küsse, Streicheln und Frederic, der im Bad verschwand. Erst danach, als ich in meine chicen neuen Sachen stieg, die ich extra seinetwegen angezogen hatte, musste ich an den Messwein und das betrunkene Genuschel am Altar denken und dass endlich ein Ende sein müsse mit diesen Fehlern, weil wir uns sonst schon bald nie mehr sehen würden. Ich wollte Frederic nicht verlieren. Alles, nur das nicht.
Verliebe dich!
»Was hast du?«, fragte Frederic, als er aus dem Bad kam und mich zur Beichte am Kreuz aufforderte.
»Ich will das alles nicht.« Woher nahm ich den Mut? »Ich finde das alles nicht gut.«
Mein Freund lächelte mich ruhig an. Der Bart schimmerte bläulich durch die Haut seiner Wangen. Seine Augen blickten mild. Und er reichte mir mit der schönen Geste die Hand, mit der er die Hostie aus dem Becher zu nehmen pflegte. »Ich auch nicht. Komm, lass uns beichten. Gott wird uns vergeben.«
Er hielt einen Moment inne und legte mir die Hand auf die Schulter, während ich wieder einmal auf dem Gebetsbänkchen vor dem Kreuz niederkniete. »Ich muss dir etwas sagen, Cora. Ich bin krank. Nur deshalb begehe ich diese Fehler. Es macht mich total fertig. Wenn du kommst und bist so lieb, dann kann ich einfach nicht anders. Ich hab doch keinen als nur dich. Es gibt mir so viel, ein bisschen zärtlich mit dir zu sein. Das baut mich auf. Das gibt mir jedes Mal Kraft, gegen diese Krankheit anzugehen. Ohne dich schaffe ich das nicht. Versprich mir, dass du keinem etwas davon sagst!«
Wie hätte ich ihm das nicht versprechen können? Er war krank. Ich bestand nur aus Entsetzen. Stumm beteuerte ich mein Schweigen.
Frederic lächelte abermals. Er schien mir schon nicht mehr von dieser Welt, so zart war sein Gesichtsausdruck. »Wir versprechen uns und dem Herrn, dass wir diesmal hundertprozentig ganz von vorn miteinander anfangen. Es soll nie wieder zwischen uns Vorkommen.«
Inbrünstig betete ich am Kreuz. Zutiefst bereute ich. Dankbar nahm ich den Segen hin und legte in tiefster Überzeugung das Versprechen ab, einen Neuanfang zu machen. Frederic stand ruhig neben mir. Mit geschlossenen Augen schien er ganz in sich zu gehen. »Die Beichte ist etwas Herrliches«, dachte ich ergriffen. »Danach ist man wirklich wieder ein neuer Mensch.«
»Weißt du, was das Beste wäre, damit
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