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Er war ein Mann Gottes

Er war ein Mann Gottes

Titel: Er war ein Mann Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jäckel
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ihn tun. Darum bin ich auch immer so eifersüchtig.
    Manchmal denke ich aber, dass er mich gar nicht kennt. Redet er mit anderen, schaut er mich nicht mal an, nicht mal grüßen tut er mich. Vielleicht macht das anderen nichts aus. Mir schon, denn ich hab ihn echt gern. Er ist für mich der Einzige. Ich denke jede Stunde an ihn. Ich renne ihm auch richtig nach. Nur kenne ich ihn gar nicht. Entweder er ist wahnsinnig nett zu mir oder alles ist ein Missverständnis und ich bin der größte Simpel.
    Warum sagt er mir denn nicht, warum er das tut und was er über mich denkt und wie er fühlt? Was geht in ihm vor? Ich kenne ihn jetzt schon so lang, doch ich weiß von ihm nicht mehr als am Anfang. Damit soll ich zwar zufrieden sein, aber ich mag ihn, und er ist mehr für mich, als er anderen bedeutet. Er ist alles für mich, einfach alles.
    Er sagte mal zu mir: «Cora, manchmal versteh ich es nicht mehr.« Ich kapierte nicht, deshalb sagte er: »Dass du so an mir hängst.«
    Ich kapier es schon. Auf dieser Welt gab es schon öfter Menschen, die ich gern hatte. Aber er ist der Erste, der mich auch gern hat und wo ich es auch merke. Ich habe niemand so gern wie ihn. Denn so toll kann keiner sein. Er ist so super wie kein anderer Mensch. Er macht mich so glücklich, nur durch sein Lächeln, seine Art und alles.
    Er hat mir einen Stein-Spatz geschenkt. Happy! Ich hab dich doch so gern.«

    Irgendwann mitten im Schreiben spürte ich mehr, als dass ich es hörte, wie die Zimmertür aufging und Frederic hereintrat. »Was machst du da? Schreibst du etwa Tagebuch?« Er war aufgeregt.
    »Ja«, antwortete ich und wandte mich halb liegend zu ihm um. »Seit Assisi. Das weißt du doch.«
    Mit einem raschen Schritt beugte er sich zu mir herunter und versuchte, das Buch an sich zu reißen. Doch als er sich bückte, erfasste mich plötzlich eine furchtbare Angst, dass er es mir nicht mehr zurückgeben würde. Hastig warf ich mich darüber und vergrub es unter meinen Armen und dem ganzen Oberkörper. »Nein, das kriegst du nicht. Das geb ich dir nicht. Das gehört mir.«
    Frederic starrte mich funkelnd an. »Was schreibst du da auf? Ich muss das wissen! Ist es über mich? Schreibst du da was von uns? Gib es her! Sofort! Ich will das jetzt lesen!«
    »Nein!« Ich schrie ihn an. »Nie! Ich gebe es nicht her!«
    Dieses Buch war mein Leben. Nur in diesem Buch konnte ich alles ausdrücken, was ich fühlte und erlebte. Nicht einmal mit Franziska konnte ich das. Wenn er mir mein Tagebuch wegnehmen würde, wäre es, als würde er mein Leben auslöschen. Ich konnte es ihm nicht geben.
    Wahrscheinlich bekam Frederic Angst, weil ich so schrie. Jedenfalls mäßigte er sich und antwortete betont leise: »Okay. Für heute lassen wir es dabei. Aber wenn wir wirklich Freunde sind, zeigst du es mir. Freundschaft hat mit Vertrauen zu tun. Wenn du mir nicht vertraust, dann...«
    Mit einem letzten bösen Blick verließ er den Raum.

    Ich weiß nicht, wie lange ich noch zitternd und außer mir vor Angst um mein Tagebuch auf dem Bett gelegen habe, verzweifelt über mein ganzes Leben, in dem es nur dieses Buch gab, dem ich alles anvertrauen konnte.
    Als ich mich endlich aufraffte und das Buch in einem sicheren Versteck untergebracht hatte, traf ich wieder im Gemeinschaftsraum ein, als Frederic gerade aufbrach. Er sei müde, meinte er und gähnte demonstrativ.
    Ein kurzer Blick in die Runde zeigte mir, dass Estefania bereits verschwunden war. Aufgewühlt und angetrunken wie ich war, überfiel mich nur ein Gedanke: »Die gehen zusammen.« Mir wurde abwechselnd heiß und kalt.
    In der Hütte bewohnte Frederic eine Kammer im Untergeschoss. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass ihn dort niemand zu besuchen hatte. Bisher war es nie vorgekommen, dass jemand dagegen verstieß. Ich war die Erste.
    Betrunken genug, um nicht mehr klar zu denken, nicht betrunken genug, um alles zu vergessen, ließ ich mich noch nicht einmal von Franziska zurückhalten, sondern stolperte ihm nach. »Lass mich! Ich muss mit ihm reden!« Ich merkte nicht, wie ängstlich sie hinter mir auf dem Treppenabsatz stehen blieb.
    Unten angelangt, riss ich die Tür zu Frederics Kammer auf. Was er in dem Moment machte, weiß ich nicht mehr. Ich war sicher gewesen, dass er mit Estefania zusammen war. Aber er war allein. Egal, es änderte nichts. Ich war nicht mehr ich selbst. Ich fühlte mich wie eine einzige riesige Wunde. Alles, was ich wollte, war, dass Frederic dieser blöden Estefania sagen sollte,

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