Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
ziehen würde.
Der junge Mann musterte Arya misstrauisch, dann trat er vorsichtig in die Mitte des Mosaiks, wobei er einen furchtsamen Blick auf das Ei warf, das sich hin und her bewegte. Der Junge war schmal gebaut, mit großen Augen und feinen Gesichtszügen. Ganz offensichtlich war er wegen seines Aussehens für diese Position ausgewählt worden.
»Hier«, flüsterte der Junge. »Die habe ich mitgebracht.« Mit diesen Worten zog er eine Feile, einen Meißel und einen Holzhammer aus seiner Robe. »Wenn ich helfe, müsst ihr mich mitnehmen. Ich halte es hier nicht länger aus. Ich hasse es. Es ist grauenvoll! Versprecht mir, dass ihr mich mitnehmt!«
Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, nickte Eragon zustimmend. Doch als der junge Mann auf ihn zukam, knurrte Eragon und deutete in Aryas Richtung. Der Novize brauchte eine Weile, um zu begreifen.
»Oh, ja«, murmelte der junge Mann und ging stattdessen zu Arya hinüber. Eragon biss vor Wut über die Langsamkeit des Jungen in seinen Knebel.
Das scharfe Kratzen der Feile wurde schon bald übertönt von dem Klopfen, das aus dem zuckenden Ei kam.
Eragon behielt das Ei im Blick, so gut er konnte, während ihr Möchtegern-Retter an einem Teil der Kette über Aryas linker Hand feilte. Bleib mit der Feile am selben Glied, du Narr!, dachte Eragon, der innerlich tobte. Der Novize machte den Eindruck, als hätte er noch nie zuvor eine Feile in der Hand gehalten, und Eragon bezweifelte, dass der Junge die Kraft oder die Ausdauer besaß, um auch nur ein winziges Stück Metall durchzubekommen.
Arya hing schlaff an der Kette, während der Novize sich abmühte, und ihr langes Haar bedeckte ihr Gesicht. Sie erzitterte in regelmäßigen Abständen und ihre verstümmelte Hand blutete unablässig weiter.
Zu Eragons Entsetzen schien die Feile auf der Kette nicht einmal eine Spur zu hinterlassen. Welche Magie auch immer das Metall schützte, sie war zu stark, als dass etwas so Einfaches wie eine Feile sie durchbrechen könnte.
Der Novize schnaubte und wirkte gereizt, weil er nicht weiterkam. Er hielt inne und wischte sich über die Stirn, dann zog er die Brauen zusammen und attackierte die Kette von Neuem. Seine Ellbogen schlugen hin und her, seine Brust hob und senkte sich und die Ärmel seiner Robe flatterten wild um seine Arme.
Begreifst du nicht, dass das nicht funktionieren wird?, dachte Eragon. Versuch stattdessen, die Fesseln um ihre Knöchel mit dem Meißel aufzustemmen.
Der junge Mann machte weiter wie bisher.
Ein scharfes Knacken hallte durch den Raum und Eragon sah, wie ein dünner Sprung auf der dunklen, schartigen Oberfläche des ersten Eis erschien. Der Sprung wurde länger und ein Netz haarfeiner Risse ging von dort aus.
Dann begann auch das zweite Ei zu wackeln und daraus ertönte nun ebenfalls ein Klopfen, das sich mit dem des ersten zu einem zermürbenden Rhythmus vereinte.
Der Novize erbleichte, dann ließ er die Feile fallen und wich kopfschüttelnd vor Arya zurück. »Es tut mir leid … es tut mir leid. Es ist zu spät.« Sein Gesicht legte sich in Falten und Tränen strömten ihm aus den Augen. »Es tut mir leid.«
Eragons Bestürzung wuchs, als der junge Mann einen Dolch aus seiner Robe zog. »Ich kann nichts anderes tun«, sagte er, fast so, als spräche er mit sich selbst. »Kann nichts anderes …« Er schniefte und bewegte sich auf Eragon zu. »So ist es am besten.«
Als der junge Mann vortrat, riss Eragon an seinen Fesseln und versuchte eine seiner Hände zu befreien. Die Eisenmanschetten waren jedoch zu eng und er schürfte sich nur noch mehr Haut von den Handgelenken.
»Es tut mir leid«, flüsterte der junge Mann, als er vor Eragon stehen blieb und den Dolch hob.
Nein!, schrie Eragon in Gedanken.
Ein glitzernder Amethystbrocken kam aus dem Tunnel geschossen, durch den Eragon und Arya den Raum betreten hatten. Der Amethyst traf den Novizen seitlich am Hinterkopf, sodass der junge Mann auf Eragon fiel. Eragon zuckte zusammen, als er spürte, wie der Dolch über seine Rippen glitt. Dann taumelte der Novize zu Boden und blieb bewusstlos liegen. Eragon verdrehte den Hals, um zu sehen, wer den Stein geworfen hatte.
Aus den Tiefen des Tunnels tauchte eine kleine, humpelnde Gestalt auf. Eragon starrte sie an, und als die Gestalt ins Licht trat, sah er, dass es kein anderer war als Solembum.
Erleichterung durchflutete Eragon.
Solembum hatte seine menschliche Gestalt angenommen und er war nackt bis auf einen zerlumpten Lendenschurz, der aussah,
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