Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
die Kräuterhexe liebend gern weitere Fragen gestellt hätte, aber sie sagte nur: »Ich verstehe … Wir können jedoch keine Zeit damit verschwenden, jeden Raum in diesem Labyrinth zu durchsuchen. Sobald die Priester entdecken, dass ihr entkommen seid, wird uns eine ganze Horde von ihnen auf den Fersen sein.«
Eragon deutete auf den Novizen auf dem Boden und meinte: »Vielleicht kann er uns verraten, wohin sie unsere Sachen gebracht haben.«
Die Kräuterhexe hockte sich hin, legte zwei Finger auf die Halsschlagader des Jungen und fühlte seinen Puls. Dann schlug sie ihm ein paarmal auf die Wangen und zog seine Lider hoch.
Der Novize blieb reglos liegen.
Dass er nicht reagierte, schien die Kräuterhexe zu verärgern. »Einen Moment«, murmelte sie und schloss die Augen. Leicht runzelte sich ihre Stirn. Eine Weile regte sie sich nicht, dann schoss sie plötzlich hoch. »Was für ein selbstsüchtiger kleiner Mistkerl! Kein Wunder, dass seine Eltern ihn zu den Priestern geschickt haben. Es überrascht mich, dass sie ihn überhaupt so lange ertragen haben.«
»Weiß er irgendetwas, was für uns von Nutzen ist?«, fragte Eragon.
»Nur den Weg ans Tageslicht.« Sie deutete auf die Tür links vom Altar, dieselbe Tür, durch die die Priester gekommen und wieder gegangen waren. »Es ist erstaunlich, dass er versucht hat, euch zu befreien. Ich vermute, es war das erste Mal in seinem Leben, dass er überhaupt etwas aus eigenem Antrieb getan hat.«
»Wir müssen ihn mitnehmen.« Eragon sagte das nicht gern, aber sein Pflichtgefühl zwang ihn dazu. »Ich habe versprochen, dass wir es tun, wenn er uns hilft.«
»Er hat versucht, euch zu töten!«
»Ich habe ihm mein Wort gegeben.«
Angela seufzte und verdrehte die Augen. An Arya gewandt, fragte sie: »Du kannst ihm das vermutlich auch nicht ausreden?«
Arya schüttelte den Kopf, dann hievte sie sich den jungen Mann scheinbar mühelos auf die Schulter. »Ich werde ihn tragen«, erklärte sie.
»In diesem Fall«, sagte die Kräuterhexe zu Eragon, »solltest du besser das hier nehmen, da es so aussieht, als würden du und ich den größten Teil des Kämpfens übernehmen.« Sie reichte ihm ihr Kurzschwert, dann zog sie aus den Falten ihres Kleides einen Dolch mit einem juwelenbesetzten Griff.
»Was ist das?«, fragte Eragon, während er durch die transparente Klinge des Schwertes blickte und bemerkte, wie sie das Licht einfing und zurückwarf. Das Material erinnerte ihn an einen Diamanten, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand aus einem Edelstein eine Waffe herstellte. Die Menge an Energie, die notwendig war, um zu verhindern, dass der Stein bei jedem Hieb zerbrach, würde jeden normalen Magier schon bald erschöpfen.
»Weder aus Stein noch aus Metall«, antwortete die Kräuterheilerin. »Vorsicht! Du musst sehr gut aufpassen damit. Berühre niemals die Schneide und lass nichts in ihre Nähe kommen, was dir lieb ist, oder du wirst es bereuen. Genauso wenig darfst du das Schwert jemals an etwas lehnen, was du vielleicht noch brauchst – zum Beispiel dein Bein.«
Argwöhnisch hielt Eragon das Kurzschwert weiter von seinem Körper weg. »Warum?«
»Weil«, erwiderte die Kräuterhexe genüsslich, »das die schärfste Klinge ist, die es gibt. Kein anderes Schwert, kein Messer und keine Axt kann es mit der Schärfe dieser Schneide aufnehmen, nicht einmal Brisingr. Es ist die vollendete Verkörperung eines Schneidewerkzeugs. Das« , sie hielt inne, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, »ist der Inbegriff einer Klinge. Du wirst nirgendwo etwas Gleichwertiges finden. Sie kann alles durchschneiden, was nicht durch Magie geschützt ist, und sogar viele Dinge, die es sind. Probier es aus, wenn du mir nicht glaubst.«
Eragon sah sich nach etwas um, woran er das Schwert ausprobieren konnte. Am Ende ging er zu dem Altar hinüber und ließ die Klinge auf eine Ecke der Steinplatte niedersausen.
»Nicht so schnell!«, rief Angela warnend.
Die transparente Klinge glitt durch vier Zoll dicken Stein, als sei der Granit nicht härter als Eierkuchen, dann fuhr die Waffe in Richtung seiner Füße weiter durch den Stein. Eragon schrie auf und sprang zurück. Mit knapper Not schaffte er es, seinen Arm abzubremsen, bevor er sich selbst schnitt.
Die Ecke des Altars sprang von der Stufe darunter ab und polterte in die Mitte des Raums.
Die Klinge des Schwertes, so erkannte Eragon, konnte sehr wohl aus Diamant sein. Sie würde nicht so viel Schutz benötigen, wie er
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