Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
der Drache sprach.
Ich kann es schaffen, erwiderte Saphira.
Du warst noch nie auf Vroengard, wandte Glaedr ein. Und wenn es einen Sturm gibt, könnte er dich weit aufs Meer hinaustragen oder noch Schlimmeres anrichten. So manchen Drachen hat sein maßloses Selbstvertrauen umgebracht. Der Wind ist nicht dein Freund, Saphira. Er kann dir helfen, aber er kann dich auch vernichten.
Ich bin kein Küken mehr, das man über den Wind belehren muss!
Nein, aber du bist noch jung und ich glaube nicht, dass du dem schon gewachsen bist.
Der andere Weg würde zu lange dauern!
Vielleicht, aber es ist besser, später dort anzukommen als überhaupt nicht.
»Wovon redet ihr?«, wollte Eragon wissen.
Der Sand unter Saphiras Pranken knirschte, als sie die Krallen durchbog und sie tief in die Erde bohrte.
Wir müssen eine Entscheidung treffen, erklärte Glaedr. Von hier aus kann Saphira entweder direkt nach Vroengard fliegen oder der Küstenlinie nach Norden folgen, bis sie den Punkt auf dem Festland erreicht, der der Insel am nächsten ist, und sich dann nach Westen wenden und das Meer überqueren.
Welcher Weg ist der schnellere?, erkundigte Eragon sich, obwohl er die Antwort bereits zu wissen glaubte.
Direkt dorthinzufliegen, antwortete Saphira.
Aber dann ist Saphira die ganze Strecke über offenes Meer unterwegs, fügte Glaedr hinzu.
Saphira richtete sich entrüstet auf. Es ist nicht weiter als vom Lager der Varden bis hierher. Oder irre ich mich?
Du bist jetzt nicht mehr so ausgeruht, und wenn ein Sturm aufzieht …
Dann werde ich darum herumfliegen!, stellte sie fest, schnaubte und stieß einen Strahl blauer und gelber Flammen aus den Nüstern.
Die Flammen blendeten ihn und hinterließen in Eragons empfindlichen Augen ein blitzendes Nachbild. »Aaah! Jetzt kann ich nichts mehr sehen.« Er rieb sich die Augen, um das Nachbild zu vertreiben. Wäre der direkte Flug wirklich so gefährlich?
Er könnte schon gefährlich werden, grollte Glaedr.
Wie viel länger würde es dauern, wenn wir die Küste entlangfliegen?
Einen halben Tag, vielleicht ein bisschen länger.
Eragon kratzte sich die Bartstoppeln an seinem Kinn, während er die abschreckende Masse Wasser vor sich betrachtete. Dann sah er zu Saphira auf und fragte mit leiser Stimme: »Bist du dir sicher, dass du es schaffen kannst?«
Sie drehte den Hals und erwiderte seinen Blick mit einem riesigen Auge. Ihre Pupille hatte sich geweitet, sodass sie fast rund war; sie war so groß und schwarz, dass Eragon glaubte, er könnte hineinkriechen und zur Gänze darin verschwinden.
So sicher, wie ich nur sein kann, gab sie zurück.
Er nickte und fuhr sich mit den Händen durchs Haar, während er sich an die Vorstellung gewöhnte. Dann müssen wir das Risiko eingehen … Glaedr, könnt Ihr sie leiten, wenn es notwendig wird? Könnt Ihr ihr helfen?
Der alte Drache schwieg eine Weile. Dann überraschte er Eragon damit, dass er im Geist summte, so wie Saphira summte, wenn sie zufrieden oder erheitert war. Also schön. Wenn wir das Schicksal schon herausfordern, dann lasst uns dabei keine Feiglinge sein. Also direkt übers Meer.
Nachdem die Angelegenheit entschieden war, stieg Eragon wieder in den Sattel und mit einem einzigen Satz ließ Saphira die Sicherheit des Festlands hinter sich und erhob sich über den weglosen Wellen in die Luft.
SEINE STIMME, SEINE HÄNDE
A
aaaaahhhh!«
…
»Werdet Ihr mir in der alten Sprache Gefolgschaft schwören?«
»Niemals!«
Seine Frage und ihre Antwort waren zu einem Ritual zwischen ihnen geworden wie bei einem Frage-Antwort-Spiel von Kindern, nur dass sie in diesem Spiel immer verlor, selbst wenn sie siegte.
Rituale waren das Einzige, was es Nasuada ermöglichte, nicht den Verstand zu verlieren. Durch sie ordnete sie ihre Welt – durch sie war sie in der Lage, von einem Moment zum nächsten auszuhalten, denn sie gaben ihr etwas, woran sie sich klammern konnte, obwohl ihr alles andere genommen worden war. Rituale des Denkens, Rituale des Handelns, Rituale des Schmerzes und der Linderung: Sie waren zu dem Gerüst geworden, von dem ihr Leben abhing. Ohne sie wäre sie verloren gewesen, ein Schaf ohne Hirte, eine Betende, die den Glauben verloren hatte … eine Reiterin, die man von ihrem Drachen getrennt hatte.
Unglücklicherweise endete dieses spezielle Ritual immer auf die gleiche Weise: mit einer weiteren Berührung des Eisens.
Sie schrie und biss sich auf die Zunge. Blut füllte ihren Mund. Sie hustete, versuchte die Kehle
Weitere Kostenlose Bücher