Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
Ich habe erst heute von ihr erfahren, als Galbatorix sie aus seinen Gemächern holte.«
Sie schloss für einen Moment die Augen. »Lasst mich aufstehen.«
»Seid Ihr Euch…?«
»Lasst mich aufstehen.«
Ohne ein Wort löste er ihre Fesseln. Dann stand sie auf und hielt sich taumelnd an ihrer Steinliege fest, bis der Schwindelanfall vorüber war.
»Hier«, sagte Murtagh und reichte ihr seinen Umhang. Sie hüllte sich darin ein, um sich zu bedecken, aber auch, um es wärmer zu haben. Außerdem brauchte sie dann die Brandwunden, den Schorf, die Blasen und die blutgefüllten Madengänge, die sie entstellten, nicht länger zu sehen.
Sie humpelte bis zur nächsten Wand, denn die Tausendfüßler waren unter anderem auch an ihren Fußsohlen gewesen, lehnte sich dagegen und ließ sich langsam auf den Boden sinken.
Murtagh setzte sich neben sie und zu zweit starrten sie auf die gegenüberliegende Wand.
Obwohl sie es nicht wollte, begann sie zu weinen.
Nach einer Weile spürte sie, dass er sie an der Schulter berührte, und sie zuckte zurück. Sie konnte nicht anders. Er hatte ihr in den vergangenen Tagen unvorstellbare Schmerzen zugefügt, und auch wenn sie wusste, dass er es nicht hatte tun wollen, konnte sie nicht vergessen, dass er es war, der das glühende Eisen geführt hatte.
Aber als sie merkte, wie sehr ihre Reaktion ihn traf, gab sie nach und nahm seine Hand. Er drückte ihre Finger sanft, dann legte er ihr einen Arm um die Schultern und zog sie an sich. Einen Moment zögerte sie, dann ließ sie sich in seine Arme sinken und legte den Kopf an seine Brust, während sie weiterweinte und ihr leises Schluchzen in dem kahlen, steinernen Raum widerhallte.
Nach einer Weile spürte sie, wie er sich bewegte, und er sagte: »Ich werde einen Weg finden, Euch zu befreien, ich schwöre es. Für Dorn und mich ist es zu spät. Aber nicht für Euch. Solange Ihr Galbatorix keine Gefolgschaft schwört, besteht immer noch eine Chance, dass ich Euch aus Urû’baen fortbringen kann.«
Sie sah zu ihm auf und kam zu dem Schluss, dass er seine Worte ernst meinte. »Wie?«, flüsterte sie.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, gab er mit einem verwegenen Lächeln zu. »Aber ich werde es tun. Ich tue, was immer dafür notwendig ist. Aber Ihr müsst mir versprechen, dass Ihr nicht aufgeben werdet – nicht bis ich es versucht habe. Einverstanden?«
»Ich glaube nicht, dass ich dieses … Ding noch einmal ertrage. Wenn er es wieder auf meinen Körper legt, werde ich ihm geben, was immer er will.«
»Das braucht Ihr nicht. Er hat nicht vor, die Bohrmaden noch einmal zu benutzen.«
»Was hat er dann vor?«
Murtagh schwieg noch einen Moment länger. »Er hat beschlossen, zu beeinflussen, was Ihr seht, hört, fühlt und schmeckt. Wenn das nicht funktioniert, wird er Euren Geist direkt angreifen. Ihr werdet Euch ihm nicht widersetzen können, wenn er das tut. Niemand hat das je geschafft. Doch ich bin mir sicher, dass ich Euch retten kann, bevor es dazu kommt. Ihr braucht nur noch ein paar Tage zu kämpfen. Das ist alles – nur noch ein paar Tage.«
»Wie soll ich das schaffen, wenn ich meinen Sinnen nicht trauen kann?«
»Es gibt einen Sinn, den er nicht täuschen kann.« Murtagh drehte sich zu ihr, um sie direkt ansehen zu können. »Erlaubt Ihr mir, Euren Geist zu berühren? Ich werde nicht versuchen, Eure Gedanken zu lesen. Ich will nur, dass Ihr wisst, wie mein Geist sich anfühlt, damit Ihr ihn wiedererkennt – damit Ihr mich wiedererkennt.«
Sie zögerte. Sie wusste, dass das ein Wendepunkt war. Entweder war sie bereit, ihm zu vertrauen, oder sie weigerte sich und vertat vielleicht ihre einzige Chance, nicht Galbatorix’ Sklavin zu werden. Trotzdem war es ihr unheimlich, irgendjemandem Zugang zu ihrem Geist zu gewähren. Murtagh konnte versuchen, sie einzulullen, damit sie in ihrer Wachsamkeit nachließ und er sich müheloser in ihrem Bewusstsein einnisten konnte. Oder er hoffte, an irgendeine Information zu kommen, indem er ihre Gedanken belauschte.
Dann dachte sie: Warum sollte Galbatorix Zuflucht zu solchen Tricks nehmen? Er könnte alle diese Dinge selbst tun. Murtagh hat recht, ich wäre nicht in der Lage, mich ihm zu widersetzen … Wenn ich Murtaghs Angebot annehme, kann das meinen Untergang bedeuten, aber wenn ich ablehne, ist mein Untergang unvermeidlich. Auf die eine oder andere Weise wird Galbatorix mich brechen. Es ist nur eine Frage der Zeit.
»Tut es«, sagte sie.
Murtagh nickte und schloss halb die
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