Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
einigen Sekunden begriff sie, dass Murtagh und Galbatorix verschwunden waren. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie weggegangen waren. Sie musste zuvor das Bewusstsein verloren haben.
Der Schmerz war nicht mehr ganz so schlimm, aber es tat immer noch schrecklich weh. Sie sah an sich hinunter, dann wandte sie den Blick ab und spürte, wie ihr Puls sich beschleunigte. Wo die Tausendfüßler gewütet hatten – sie wusste nicht, ob man sie nach der Teilung auch noch als Bohrmaden bezeichnete –, war ihre Haut geschwollen und purpurnes Blut füllte die Gänge, die sie unter der Oberfläche ihrer Haut hinterlassen hatten. Jeder Gang brannte höllisch. Es fühlte sich an, als habe man die Vorderseite ihres Körpers mit einer Metallpeitsche bearbeitet.
Sie fragte sich, ob die Bohrmaden noch immer in ihr waren und nur einen Verdauungsschlaf hielten. Oder ob sie sich verwandelten – wie normale Maden in Fliegen – und zu etwas noch Schlimmerem werden würden. Oder, und das schien die schrecklichste Vorstellung, ob sie vielleicht Eier in ihr legten und bald noch mehr von ihnen schlüpfen und beginnen würden, sich an ihr gütlich zu tun.
Sie schauderte und schrie vor Angst und Hilflosigkeit.
Die Wunden machten es ihr schwer, bei Bewusstsein zu bleiben. Immer wieder wurde ihr schwarz vor Augen und sie ertappte sich dabei, dass sie weinte. Sie verachtete sich dafür, aber sie konnte nicht aufhören, sosehr sie sich auch bemühte. Um sich abzulenken, begann sie mit sich selbst zu reden – größtenteils sinnloses Zeug –, nur um sich Mut zu machen oder ihre Gedanken auf andere Dinge zu richten. Es half, zumindest ein wenig.
Sie wusste, dass Galbatorix sie nicht töten wollte, aber sie fürchtete, dass er in seinem Zorn weiter gegangen war, als er beabsichtigt hatte. Sie zitterte und ihr ganzer Körper brannte noch immer, als sei sie von Hunderten von Bienen gestochen worden. Ihre Willenskraft konnte sie nur über einen begrenzten Zeitraum aufrechterhalten. Ganz gleich, wie entschlossen sie war, die Widerstandskraft ihres Körpers hatte Grenzen und sie hatte das Gefühl, dass sie sie bereits weit überschritten hatte. Irgendetwas tief in ihr schien gebrochen zu sein und sie glaubte längst nicht mehr daran, dass sie von ihren Verletzungen wieder genesen würde.
Die Tür des Raums öffnete sich scharrend.
Sie kniff die Augen zusammen und versuchte angestrengt zu erkennen, wer hereinkam.
Es war Murtagh.
Er sah auf sie herunter, die Lippen verkniffen, die Nasenflügel gebläht, eine Furche zwischen den Brauen. Zuerst dachte sie, er sei wütend, aber dann begriff sie, dass er tatsächlich besorgt war und Angst hatte, furchtbare Angst. Dass er sich so große Sorgen machte, überraschte sie. Sie wusste, dass er eine gewisse Zuneigung zu ihr empfand – warum sonst hätte er Galbatorix überreden sollen, sie am Leben zu lassen? –, aber sie hätte nicht gedacht, dass ihm so viel an ihr lag.
Sie versuchte, ihn mit einem Lächeln zu beruhigen. Das Lächeln war ihr anscheinend nicht gut gelungen, denn Murtagh presste die Zähne aufeinander, als könne er sich nur mühsam beherrschen.
»Versucht, Euch nicht zu bewegen«, sagte er, hob die Hände über sie und begann in der alten Sprache zu murmeln.
Als ob ich mich bewegen könnte, dachte sie.
Seine Magie zeigte bald Wirkung und Wunde für Wunde verebbte der Schmerz, aber er verschwand nicht ganz.
Sie runzelte die Stirn und sah ihn fragend an, worauf er erklärte: »Es tut mir leid. Mehr kann ich nicht tun. Galbatorix würde wissen, was zu tun ist, aber das hier übersteigt meine Kräfte.«
»Was … was ist mit Euren Eldunarí?«, fragte sie. »Sie können doch bestimmt helfen.«
Er schüttelte den Kopf. »Das sind alles junge Drachen, jedenfalls waren sie es, als ihre Körper starben. Sie wussten zu diesem Zeitpunkt nur wenig über Magie und Galbatorix hat ihnen seither fast nichts beigebracht … es tut mir leid.«
»Habe ich diese Dinger noch in meinem Körper?«
»Nein! Galbatorix hat sie entfernt, gleich nachdem Ihr ohnmächtig geworden seid.«
Ihre Erleichterung war unendlich groß. »Euer Zauber hat den Schmerz nicht verhindert.« Sie versuchte, nicht anklagend zu klingen, trotzdem stahl sich ein bitterer Unterton in ihre Stimme.
Er verzog das Gesicht. »Ich weiß nicht genau, warum. Das hätte er eigentlich tun sollen. Was immer das für eine Kreatur ist, sie passt nicht in die normalen Muster der Welt.«
»Wisst Ihr, woher sie kommt?«
»Nein.
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