Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
Es wäre einfach, sie zu erwischen, da sie mich nicht sehen können. Sie leckte sich das Maul.
»Ja, aber wo bliebe da der sportliche Anreiz?«, fragte Eragon, während er die Riemen an seinen Beinen löste.
Sportlicher Anreiz füllt einem nicht den Magen.
»Nein, aber du hast doch auch keinen Hunger, oder?« Die Energie aus den Eldunarí hatte, auch wenn sie substanzlos war, ihren Wunsch, zu essen, unterdrückt.
Sie stieß eine gewaltige Menge Luft aus, was ein Seufzer zu sein schien. Nein, eigentlich nicht …
Solange sie warteten, streckte Eragon seine wunden Glieder aus, dann aß er ein bisschen von dem, was von seinen Vorräten noch übrig war. Er wusste, dass Saphira sich auf dem Boden neben ihm ausgestreckt hatte, auch wenn er sie nicht sehen konnte. Nur die schattige, seltsam geformte Kuhle, die ihr Körper auf den platt gedrückten Grashalmen hinterließ, verriet ihre Anwesenheit. Er war nicht sicher, warum, aber es amüsierte ihn.
Während des Essens ließ er den Blick über die Felder rund um den Hügel schweifen und sah dem Wind zu, wie er über die Weizen- und Gerstenhalme strich. Lange, niedrige Mauern aus aufeinandergeschichteten Steinen unterteilten die einzelnen Felder. Die einheimischen Bauern mussten Jahrhunderte gebraucht haben, um so viele Steine aus dem Boden zu graben.
Zumindest hatten wir das Problem im Palancar-Tal nicht, dachte er.
Kurz darauf fielen ihm die Erinnerungen eines der Drachen wieder ein und er wusste genau, wie alt die Steinmauern waren. Sie stammten aus der Zeit, als Menschen gekommen waren, um in den Ruinen von Ilirea zu leben, nachdem die Elfen die Krieger König Palancars besiegt hatten. Als sei er dabei gewesen, konnte er die Reihen von Männern, Frauen und Kindern sehen, die über frisch gepflügte Felder gingen und die Steine, die sie fanden, dorthin trugen, wo jetzt die Mauern standen.
Nach einer Weile ließ Eragon die Erinnerung verblassen und öffnete seinen Geist dem Kommen und Gehen der Energie um ihn herum. Er lauschte auf die Gedanken der Mäuse im Gras, der Würmer in der Erde und der Vögel am Himmel. Es war etwas riskant, das zu tun, denn so konnte er auch einen feindlichen Magier in der Nähe auf ihre Anwesenheit aufmerksam machen. Doch er zog es vor, zu wissen, wer und was in der Nähe war, damit niemand sie überraschend angreifen konnte.
So spürte er das Herannahen von Arya, Bloëdhgarm und Königin Islanzadi und erschrak nicht, als die Schatten ihrer Fußabdrücke sich ihm von der westlichen Seite des Hügels her näherten.
Die Luft kräuselte sich wie Wasser und die drei Elfen erschienen vor ihm. Königin Islanzadi stand an der Spitze, so königlich wie eh und je. Sie trug ein goldenes Schuppenpanzerkorsett, einen juwelenbesetzten Helm und ihren roten, weiß gesäumten Umhang, den sie an den Schultern mit einer Brosche geschlossen hatte. Von ihrer schmalen Taille hing ein langes, schlankes Schwert. In einer Hand hielt sie einen großen Speer mit weißer Klinge und in der anderen einen Schild, der wie ein Birkenblatt geformt war – seine Ränder waren sogar gezähnt.
Auch Arya trug eine prächtige Rüstung. Sie hatte ihre normalen dunklen Kleider gegen ein Korsett wie das ihrer Mutter eingetauscht – auch wenn Aryas Korsett grau war wie blanker Stahl und nicht golden – und sie trug einen Helm mit Flechtwerk-Ziselierung auf Stirn- und Nasenstück und mit einem Paar stilisierter Adlerflügel daran, die von den Schläfen nach hinten abstanden. Verglichen mit Islanzadis Pracht wirkte Arya düster, aber auch umso tödlicher. Zusammen waren Mutter und Tochter wie ein Paar einander gleichender Klingen, die eine geschmückt, um schön auszusehen, die andere bereit zum Kampf.
Wie die beiden Frauen trug Bloëdhgarm ein Schuppenpanzerhemd, aber keinen Helm und außer einem kleinen Messer an seinem Gürtel hatte er keine Waffe bei sich.
»Zeigt Euch, Eragon Schattentöter«, verlangte Islanzadi und sah dorthin, wo er stand.
Eragon löste den Zauber, der ihn und Saphira verbarg, dann verbeugte er sich vor der Elfenkönigin.
Sie ließ den Blick ihrer dunklen Augen über ihn wandern und studierte ihn, als sei er ein preisgekröntes Kutschpferd. Anders als früher hatte er keine Mühe, ihrem Blick standzuhalten. Nach einigen Sekunden stellte die Königin fest: »Ihr habt Euch verbessert, Schattentöter.«
Er machte eine zweite, kleinere Verbeugung. »Vielen Dank, Euer Majestät.« Wie immer prickelte sein ganzer Körper beim Klang ihrer Stimme, die
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