Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
Vom Netzwerk:
doch nicht nur Goldnuggets aus dem Mund dieses Mannes. »Eine ausgezeichnete Idee, Assad, wenn wir zu einem leeren Haus kommen wollen.«
    Ursprünglich war es ein gewöhnlicher Bauernhof mit Wohnhaus, Schweinestall und Scheune rings um einen Hof mit holperigen Pflastersteinen gewesen. Sie konnten vom Auto aus direkt in die Zimmer schauen, so dicht an der Straße lag das Haus. Hinter den weiß gekalkten Gebäuden befand sich noch ein zehn bis zwölf Meter hoher Bau, der offensichtlich nie in Benutzung gewesen war - dort, wo die Fenster hätten sein sollen, gähnten große leere Löcher. Wie die Behörden diese Schrecklichkeit je hatten genehmigen können, war ihm ein Rätsel. Sie ruinierte die Aussicht über die Felder, wo die gelben Rapsflächen in Weiden übergingen, so grün, dass es geradezu künstlich aussah.
    Carl musterte die Umgebung und bemerkte nirgendwo Anzeichen von Leben, auch nicht in der Nähe der Gebäude. Der gepflasterte Hof wirkte genauso vernachlässigt wie alles andere. Der Putz am Wohnhaus blätterte ab. Zur Straße hin lagen ein Stück weiter nach Osten große Haufen Bauschutt und Gerümpel. Abgesehen von den Butterblumen und den blühenden Obstbäumen, die über das Eternitdach ragten, wirkte alles vollkommen trostlos.
    »Auf dem Hof steht kein Auto«, sagte Assad. »Wahrscheinlich wohnt hier schon lange niemand mehr.«
    Carl biss die Zähne zusammen und bemühte sich, seine Enttäuschung zu unterdrücken. Nein, Lars Henrik Jensen war nicht hier, das sagte auch sein Gefühl. Verfluchter Mist!
    »Lass uns trotzdem hingehen, Assad. Wir schauen uns ein bisschen um.« Er parkte den Wagen am Straßenrand, etwa fünfzig Meter entfernt.
    Sie bewegten sich ganz leise. Durch die Hecke am Grundstücksrand gelangten sie auf der Rückseite des Hauses in einen Garten, wo Beerensträucher und Giersch um Platz kämpften. Die Fenster des Wohnhauses waren grau von Alter und Schmutz. Alles wirkte ausgestorben und tot.
    »Schau mal«, sagte Assad, der die Nase an eine Scheibe drückte.
    Carl folgte seiner Aufforderung. Auch im Haus wirkte alles verlassen. Bis auf den fehlenden Turm und die Rosenhecke war es fast wie ein Dornröschenschloss. Staub auf den Tischen, auf Büchern und Zeitungen und allerlei Papier. Teppiche, die noch aufgerollt waren. In einer Ecke Kartons, die nicht ausgepackt waren.
    Diese Familie war wirklich aus einer glücklicheren Zeit herausgerissen worden.
    »Ich glaube, Assad, die waren gerade beim Einziehen, als der Unfall passierte. Das sagte der Mann von Risø auch.«
    »Ja, aber schau mal, da hinten.«
    Assad zeigte zu einer Türöffnung an der gegenüberliegenden Wand, durch die Licht hereinströmte; der Fußboden dort glänzte hell.
    »Du hast recht. Das sieht anders aus.«
    Sie stapften durch einen Kräutergarten, wo Hummeln um blühenden Schnittlauch summten, und kamen auf der anderen Seite des Hauses auf dem Hof heraus.
    Carl trat dicht an die Fenster heran. Sie waren gut verschlossen. Hinter dem ersten konnte man ein Zimmer erkennen mit nackten Wänden und zwei Stühlen an der Wand. Er legte die Stirn an die Scheibe und sah in den Raum hinein. Der wurde zweifellos benutzt. Hemden lagen auf dem Fußboden, das Bettzeug auf der Matratze war zerwühlt, und obenauf lag ein Schlafanzug, wie er ihn mit Sicherheit vor nicht allzu langer Zeit in einem Warenhauskatalog gesehen hatte.
    Er atmete kontrolliert ein und legte instinktiv die Hand auf den Gürtel, wo jahrelang seine Dienstpistole gesteckt hatte. Jetzt war es vier Monate her, dass er sie zuletzt getragen hatte. »In dem Bett hat vor kurzem jemand geschlafen«, sagte er in Richtung Assad, der ein paar Fenster weiter stand.
    »Hier ist auch vor kurzem jemand gewesen«, sagte Assad.
    Carl stellte sich neben ihn und sah hinein. Es stimmte. Die Küche war ordentlich sauber gemacht. Durch eine Tür in der Wand auf der gegenüberliegenden Seite konnte man in das staubige Zimmer schauen, das sie von der anderen Seite aus gesehen hatten. Es lag da wie eine Grabkammer. Wie ein Heiligtum, das man nicht betreten durfte.
    Aber die Küche war erst kürzlich benutzt worden. »Kühlschrank, Kaffee auf dem Tisch, Wasserkocher. Da hinten in der Ecke stehen auch volle Cola-Flaschen«, sagte Carl.
    Er drehte sich zum Schweinestall und den Gebäuden dahinter um. Sie könnten weitermachen und eine Durchsuchung durchführen, ohne erst den Gerichtsbeschluss abzuwarten, müssten aber den anschließenden Ärger in Kauf nehmen, falls sich die Aktion als

Weitere Kostenlose Bücher