Erbarmen
stimmt, dass ich nicht so viel bei Hardy war, wie ich gesagt habe. Aber es ist sehr weit bis Hornbæk. Ich versuche meinem Bruder zu helfen, und das braucht viel Zeit. Entschuldige, Carl. Ich werde in Zukunft immer alles offen sagen.«
Carl lehnte sich zurück. Er hatte nicht übel Lust, sich sein skeptisches Gehirn von Assads bonbonsüßem Tee verkleben zu lassen. »Assad, ich begreife nicht, wie du so schnell einen Job bei der Polizei bekommen hast. Ich freue mich sehr über deine Hilfe. Du bist ein komischer Kauz, aber du kannst auch was. Wie kommt das?«
»Komischer Kauz? Was ist das? Ist Kauz nicht ein Vogel?« Er sah Carl treuherzig an. Ja, doch, er konnte etwas. Vielleicht war er ja einfach ein Naturtalent. Vielleicht stimmte alles, was er sagte. Vielleicht hatte Carl sich einfach zu einem misstrauischen Querulanten entwickelt.
»In deinen Papieren steht nicht viel über deine Ausbildung, Assad. Wie sah die aus?«
Assad zuckte die Achseln. »Daraus wurde irgendwie nichts Richtiges. Mein Vater hatte eine kleine Firma, handelte mit Konserven. Ich weiß alles darüber, wie lange sich eine Dose geschälte Tomaten bei fünfzig Grad Hitze hält.«
Carl versuchte zu lächeln. »Und dann konntest du die Finger nicht von der Politik lassen, und am Ende hattest du einen falschen N amen, war es so?«
»Ja, etwas in dieser Richtung.«
»Und du wurdest gefoltert?«
»Carl, lass mich, ich will nicht. Ich kann nicht darüber reden, okay?«
»Okay.« Carl nickte. »Aber in Zukunft erzählst du mir immer, was du in der Arbeitszeit machst, klar?«
Er hielt einen Daumen in die Höhe. Dann streckte er die Hand mit gespreizten Fingern hoch, und Assad klatschte seine Hand dagegen.
Das reichte.
»Okay, Assad. Weiter im Text. Es gibt einiges zu erledigen«, sagte er. »Wir müssen diesen Lars Henrik Jensen finden. Wir können uns hoffentlich bald wieder im Melderegister einloggen, aber bis dahin müssen wir versuchen, seine Mutter zu finden. Sie heißt Ulla Jensen. Ein Mann draußen auf Risø ...« Er sah, dass Assad zu der Frage ansetzte, was Risø war, so was kam ja bei ihm nicht selten vor. »Ein Mann hat mich informiert, dass sie südlich von Kopenhagen wohnt.«
»Ist Ulla Jensen ein seltener Name?«
Er schüttelte den Kopf. »Aber wir wissen jetzt, wie die Firma des Mannes hieß, insofern haben wir mehrere Ansatzpunkte. Zunächst mal rufe ich beim Handelsregister an. Wollen wir hoffen, dass die nicht auch von dem Crash betroffen sind. Mittlerweile suchst du bei www.krak.dkim Internet nach einer Ulla Jensen. Versuch es mit Brøndby und dann weiter südlich. Valensbæk, vielleicht Glostrup, Tåstrup, Greve-Kildebrønde. Im Süden musst du nicht weiter als bis Køge gehen, denn dort befand sich die Firma des Mannes früher. Etwas nördlich davon.«
Assad wirkte erleichtert. Er wandte sich zum Gehen, machte aber noch einmal kehrt und umarmte Carl kurz. Seine Bartstoppeln kratzten, und das Rasierwasser war billig, aber das Gefühl war echt.
Nachdem Assad hinausgegangen war, saß Carl eine Weile einfach da und erlaubte dem Gefühl, sich zu setzen. Es war fast, als hätte er seine alte Gruppe wieder.
Die Antwort kam von beiden Seiten gleichzeitig. Das Handelsregister hatte während des Zusammenbruchs die ganze Zeit einwandfrei funktioniert. HJ Industries war fünf Sekunden nach der Sucheingabe identifiziert. Die Firma gehörte einer Trabeka Holding, einer deutschen Gesellschaft, über die sie bei Bedarf nähere Einkünfte einholen konnten. Die Eigentümer der Trabeka waren aus dem Registereintrag nicht zu ersehen, aber mithilfe der deutschen Kollegen leicht herauszufinden. Als er die Adresse hatte, rief er zu Assad hinüber, er könne aufhören, aber Assad rief zurück, er habe auch zwei mögliche Treffer.
Sie verglichen ihre Ergebnisse. Ulla Jensen wohnte im Strøhusvej in Greve auf dem Gelände der bankrotten Firma HJl.
Er suchte die Adresse auf seiner Karte. Sie war nur wenige hundert Meter von dem Unfallort entfernt, wo Daniel Hale auf dem Kappelev Landevej verbrannt war. Er erinnerte sich, wie er dort gestanden hatte. Das war die Straße, die er entlanggeblickt hatte, als sie dort die Gegend in Augenschein nahmen. Die Straße zur Mühle.
Er spürte, wie sein Adrenalinspiegel langsam anstieg. Jetzt hatten sie eine Adresse. In zwanzig Minuten konnten sie dort sein.
»Carl, sollen wir nicht erst anrufen?« Assad gab ihm den Zettel mit der Telefonnummer.
Er sah Assad mit hochgezogenen Augenbrauen an. Also kamen
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