Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
Vom Netzwerk:
einen Strich durch die Rechnung. »Ich muss doch weitergeben können, woran du arbeitest.«
    Carl betrachtete resigniert das gähnend leere Schwarze Brett und die vielen Kaffeetassen auf seinem kleinen Konferenztisch. »Ich brauche zwanzig Minuten, Marcus. Dann kannst du von mir aus kommen. Wir haben im Augenblick schrecklich viel zu tun.«
    Er legte auf und blähte die Wangen. Dann ließ er ganz langsam die Luft wieder raus, stand auf und ging über den Flur zu dem Raum, in dem Assad sich eingerichtet hatte.
    Auf seinem ungewöhnlich kleinen Schreibtisch standen zwei gerahmte Fotos mit jeder Menge Menschen. An der Wand über dem Schreibtisch hing ein Poster mit arabischen Buchstaben und einem hübschen Foto eines exotischen Gebäudes, das Carl nicht erkannte. Am Knauf der Tür hingen irgendein altmodischer brauner Kittel und seltsame Beinwärmer. Er hatte seine Geräte ordentlich an der Wand am Ende des Raums aufgereiht:
    Eimer, Mopp, Staubsauger und eine Unmenge Flaschen mit allen möglichen starken Reinigungsmitteln. Im Regal lagen Gummihandschuhe, daneben stand ein kleines Transistorradio mit Kassettendeck, aus dem sehr gedämpft Töne drangen, die einen sofort in den Basar von Sousse versetzten. Direkt daneben lagen Papier und Bleistift, Blocks, der Koran und einige Zeitschriften in arabischer Schrift. Vor dem Regal lag ein bunter Gebetsteppich, der für den knienden Assad kaum groß genug sein konnte. Das Ganze wirkte irgendwie malerisch.
    »Assad«, sagte er. »Wir haben es ein bisschen eilig. In zwanzig Minuten kommt der Chef der Mordkommission hierher, bis dahin müssen wir etwas vorbereitet haben. Wenn er da ist, wäre ich dir dankbar, wenn du dich am anderen Ende des Korridors aufhältst und den Fußboden wischst. Du musst leider ein bisschen Überstunden machen, aber ich hoffe, das ist okay.«
    »Also Donnerwetter, Carl«, sagte Marcus Jacobsen und nickte müde hinüber zum Anschlagbrett. »Du hast hier wirklich System reingebracht. Bist du wieder auf dem Damm?«
    »Auf dem Damm? Doch, ja, ich tue, was ich kann. Aber du musst schon damit rechnen, dass es noch eine Weile dauern wird, bis ich wieder mit Volldampf loslegen kann.«
    »Carl, du musst Bescheid sagen, wenn du noch mal mit dem Psychologen reden willst. Man darf diese >Posttraumatischen Belastungsstörungen< nicht unterschätzen.«
    »Das wird nicht nötig sein, glaube ich.«
    »Okay, Carl. Aber denk dran, notfalls sofort Bescheid zu sagen.« Er drehte sich um. »Du hast deinen Flachbildschirm aufgehängt«, sagte er und starrte auf das Vierzig-Zoll-Bild mit den TV 2-Nachrichten.
    »Ja, wir müssen doch sehen, was in der Welt passiert.« Carl schickte Assad einen freundlichen Gedanken. Innerhalb von fünf Minuten hatte der Mann den ganzen Kram an der Wand angebracht und angeschlossen. Das konnte er also auch.
    »Sie haben gerade berichtet, dass die Zeugin im Fahrradmord einen Selbstmordversuch unternommen hat«, fuhr Carl fort.
    »Was? Ach verdammt, ist das schon wieder durchgesickert!« Das schien Marcus Jacobsen, der ohnehin müde und erschöpft wirkte, den Rest zu geben.
    Carl zuckte die Achseln. Nach zehn Jahren als Chef der Mordkommission musste der Mann doch langsam wissen, wie der Hase lief. »Ich habe die Fälle in drei Kategorien aufgeteilt«, sagte er und deutete auf die Stöße. »Die sind durch die Bank weg heftig. Ich habe mich da tagelang durchgewühlt. Das hier, das wird jede Menge Zeit kosten, Marcus.«
    Marcus Jacobsen, der noch immer die Nachrichtensendung verfolgte, wandte ihm den Blick zu. »Es dauert so lange, wie es dauert, Carl. Hauptsache, wir liefern zwischendurch Ergebnisse. Gib einfach Laut, wenn wir da oben dich unterstützen können.« Er versuchte zu lächeln. »Für welchen Fall hast du dich jetzt entschlossen? Womit fängst du an?«
    »Na ja, grundsätzlich werde ich mich nicht exklusiv mit einem allein beschäftigen können. Aber mein Hauptaugenmerk wird wohl auf den Fall Merete Lynggaard gerichtet sein.«
    Der Chef der Mordkommission entspannte sich zusehends. »Ja, das war eine verrückte Geschichte. Einfach verschwunden. Innerhalb weniger Minuten auf der Fähre zwischen Rødby und Puttgarden. Keine Zeugen.«
    »Bei dem Fall gab es eine Reihe von Merkwürdigkeiten«, sagte Carl und versuchte krampfhaft, sich wenigstens an eine zu erinnern.
    »Man hatte ihren Bruder angeklagt, sie über die Reling ins Meer gestoßen zu haben, daran erinnere ich mich. Aber die Beschuldigung wurde später zurückgezogen. Ist das

Weitere Kostenlose Bücher