Erbarmen
Geschäft gemacht. Und ein anderer war betrogen worden.
Auf dem Messingschild stand
Antiquitätenhändler
und
Peter
&
Erling Møller- Hansen,
aber der Mann, der auf Carls Klingeln öffnete, glich eher einem Graf von und zu. Dünne Haut, tiefe blaue Augen und der Duft von kostbarer Creme.
Der Mann war ausgesprochen entgegenkommend und beantwortete offen alle Fragen. Freundlich nahm er Assad die Mütze ab und bat sie einzutreten. Die Diele war mit zierlichen Empiremöbeln und viel Nippes eingerichtet.
Nein, sie hatten Merete Lynggaard und ihren Bruder Uffe nicht gekannt. Nicht persönlich jedenfalls, denn die meisten ihrer Sachen waren beim Verkauf im Haus geblieben. Allerdings waren sie nichts wert gewesen.
Er bot ihnen grünen Tee in hauchdünnen Porzellantassen an, und die Knie eng aneinander und die Beine leicht schräg gestellt, setzte er sich ihnen gegenüber auf die Sofakante, bereit, seinen Besuchern zu helfen, so gut er es vermochte.
»Es war so schrecklich, dass sie auf diese Weise ertrinken musste. Ein entsetzlicher Tod, glaube ich. Mein Mann ist bei einem Wasserfall in Jugoslawien einmal fast untergegangen, das war so furchtbar, das können Sie mir glauben.«
Carl bemerkte Assads Verwirrung, als der Mann »mein Mann« sagte. Aber ein kurzer Blick reichte. Assad hatten offenkundig noch immer einiges zu lernen über die Vielfalt der Lebensformen in Dänemark.
»Die Polizei hat seinerzeit alle auffindbaren Unterlagen der Geschwister Lynggaard zusammengetragen«, sagte Carl. »Aber vielleicht haben Sie in der Zwischenzeit ja noch etwas gefunden? Tagebücher, Briefe oder vielleicht Faxe oder auch einfach Telefonnotizen ? Irgendetwas, das uns noch mal in eine neue Richtung führen könnte?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein. Es war nichts mehr da.« Er unterstrich seine Aussage durch eine großzügige, raumgreifende Geste. »Möbel hat es gegeben, aber nichts Besonderes. Und auch in den Schubladen nicht viel, abgesehen von Büroartikeln und einigen wenigen Erinnerungsstücken. Poesiealben, Fotos und dergleichen. Ich glaube, die beiden waren recht normale Menschen.«
»Wie ist es mit den Nachbarn, kannten einige von ihnen die Lynggaards ?«
»Oh, wir haben nicht viel Kontakt zu den Nachbarn. Aber die wohnen auch noch nicht sehr lange hier. Sind wohl im Ausland gewesen und erst kürzlich zurückgekommen. Aber ich glaube auch nicht, dass die beiden Lynggaards Kontakt zu anderen Leuten im Ort hatten. Viele wussten nicht einmal, dass Merete einen Bruder hatte.«
»Sie sind also auf niemanden hier in der Gegend gestoßen, der die Geschwister kannte?«
»Doch, ja. Helle Andersen. Sie hat sich um den Bruder gekümmert.«
»Das war die Familienhelferin«, fiel Assad ein. »Die Polizei hat sie verhört, aber sie wusste nichts. Außer, dass da ein Brief gekommen war, also an Merete Lynggaard. Am Tag, ehe sie ertrank. Den hat die Familienhelferin angenommen.«
Carl hob erstaunt die Augenbrauen. Er musste zusehen, diese verdammte Akte selbst sorgfältig zu lesen. Und zwar so bald wie möglich.
»Hat die Polizei den Brief gefunden, Assad?« Er schüttelte den Kopf.
Carl wandte sich wieder dem Hausbesitzer zu. »Wohnt diese Helle Andersen hier im Ort?«
»Nein, sie wohnt in Holtug, auf der anderen Seite von Gjorslev. Aber sie kommt in zehn Minuten hierher.«
»Hierher?«
»Ja. Mein Mann ist krank.« Er sah auf den Boden. »Sehr krank. Deshalb kommt sie her und hilft.«
Na also, dachte Carl, das Glück ist mit den Dummen, und dann bat er um eine Führung durch die Räumlichkeiten.
Sie gingen zwischen eigenartigen Möbeln und Gemälden in schweren Goldrahmen hindurch. Das übliche Sammelsurium nach einem Leben in Auktionshäusern. Die Küche war neu, alle Wände gestrichen, die Fußböden abgeschliffen und neu versiegelt. Wenn aus Merete Lynggaards Zeit noch etwas übrig war, dann mussten es die Silberfischchen im Badezimmer sein, die über den dunklen Fußboden huschten.
»O ja, Uffe. Er war so süß!« Helle Andersen hatte ein derbes Gesicht mit dicken Tränensäcken unter den Augen und rot durchblutete, kräftige Wangen. Den Rest bedeckte ein Kittel in einer Größe, wie man ihn in den regulären Geschäften sicher nicht fand. »Das ist doch richtig verrückt zu glauben, dass er seiner Schwester etwas antun könnte, hab ich zur Polizei gesagt. Dass sie damit auf dem Holzweg sind.«
»Aber Zeugen haben gesehen, wie er seine Schwester schlug«, sagte Carl.
»Er konnte schon mal etwas wild
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