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Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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wusste auch gar nicht, wo er eigentlich wohnte. Danach würde er ihn ein anderes Mal fragen.
    Er betrachtete seinen eigentümlichen Partner. »Morgen, Assad, nehmen wir uns einen anderen Fall vor. Das hier ist ja die reinste Totgeburt.« Auch das löste in Assads Gesicht keinen Jubel aus.
     
    In der Klinik hatte man Hardy in ein anderes Zimmer verlegt. Er sah nicht gut aus. Sein Gesicht zeigte durchaus etwas Farbe, aber in den blauen Augen lag das Dunkel auf der Lauer.
    Er legte Hardyeine Hand auf die Schulter. »Ich habe darüüber nachgedacht, Hardy, was du neulich gesagt hast. Aber es geht nicht, es tut mir schrecklich leid. Ich kann es einfach nicht. Kannst du das verstehen?«
    Hardy sagte nichts. Natürlich verstand er ihn, und natürlich verstand er ihn auch wieder nicht.
    »Aber ich hätte einen anderen Vorschlag: Wie wäre es, wenn du mir bei meinen Fällen hilfst? Ich informiere dich über die Einzelheiten, und du denkst darüber nach. Ich brauche dringend einen Energieschub, Hardy, verstehst du? Das Ganze ist mir so was von schnuppe. Aber wenn du mitmachst, könnten wir zusammen darüber lachen.«
    »Du willst, dass ich lache, Carl?«, sagte er und drehte den Kopf weg.
    Alles in allem ein richtiger Scheißtag.
     

Kap 16 - 2002
     
    In der ewigen Dunkelheit ging das Zeitgefühl verloren und mit dem Zeitgefühl der gesamte Biorhythmus. Tag und Nacht verschmolzen wie siamesische Zwillinge. Merete hatte nur einen festen Anhaltspunkt, das war das Klicken der in der Wand eingelassenen, gebogenen Tür.
 
    Als sie zum ersten Mal die verzerrte Stimme aus dem Lautsprecher hörte, war der Schock vollkommen: Sie zitterte noch, als sie sich später zum Schlafen hinlegte.
    Aber wäre die Stimme nicht gekommen, sie wäre vor Durst und Hunger gestorben, da war sie sicher. Die Frage war nur, ob das nicht besser gewesen wäre.
    Sie hatte gespürt, wie der Durst und das trockene Gefühl im Mund verschwanden. Sie hatte gespürt, wie die Müdigkeit den Hunger dämpfte. Sie hatte gefühlt, wie die Trauer die Angst ablöste und die Trauer schließlich der Gewissheit wich, dass sich der Tod näherte. Und deshalb hatte sie ruhig dagelegen und darauf gewartet, dass ihr Körper schließlich aufgeben würde als eine schnarrende Stimme enthüllte, dass sie nicht allein war, wo immer sie auch war, und dass sie sich endgültig dem Willen anderer zu ergeben hatte.
    »Merete«, sagte die Frauenstimme ohne Vorwarnung. »Du bekommst jetzt einen Plastikbehälter. Gleich wirst du ein Klicken hören, dann öffnet sich drüben in der Ecke eine Schleuse. Wir haben gesehen, dass du sie schon gefunden hast.«
    Vielleicht hatte sie sich vorgestellt, dass jetzt Licht anginge, denn sie kniff die Augen fest zusammen in Erwartung eines Schocks, der wie in Wellen durch ihren Körper gehen und bis in die Nervenenden Blitze aussenden würde. Aber es wurde kein Licht angemacht.
    »Hörst du mich?«, rief die Stimme.
    Sie nickte und atmete tief aus. Jetzt spürte sie, wie sehr sie fror. Wie der Mangel an Nahrung die Fettdepots leer gesogen hatte, wie verletzlich sie war.
    »Antworte!«
    »Ja. Ja, ich höre. Wer sind Sie?« Sie sah ins Dunkle.
    »Wenn du das Klicken hörst, gehst du sofort hinüber zur Schleuse. Versuch nicht, hineinzukriechen, das geht nicht. Wenn du den ersten Behälter genommen hast, kommt noch ein zweiter. Der eine ist ein Toiletteneimer, dort verrichtest du deine Notdurft, und in dem anderen ist Wasser und etwas zu essen. Jeden Tag werden wir jetzt die Schleuse öffnen, und dann tauschen wir die alten Behälter gegen zwei neue aus, hast du verstanden?«
    »Worauf läuft das hier hinaus?« Sie hörte das Echo ihrer eigenen Stimme. »Haben Sie mich entführt? Wollen Sie Geld?«
    »Jetzt kommt der erste.«
    Aus der Ecke kamen ein rasselndes Geräusch und ein schwacher Luftzug. Sie bewegte sich dorthin und spürte, wie sich der unterste Teil der versenkten, gebogenen Tür öffnete und einen festen Behälter von der Größe eines Papierkorbs freigab. Als sie ihn zu sich gezogen und auf dem Boden abgesetzt hatte, schloss sich die Schleuse, um sich zehn Sekunden später noch einmal zu öffnen. Diesmal war der Eimer etwas höher, vermutlich sollte der das Trockenklo sein.
    Ihr Herz hämmerte. Wenn die Eimer so schnell hintereinander hereingeschoben wurden, musste sich jemand gleich auf der anderen Seite der Schleuse befinden. Ein anderer Mensch, so nahe.
    »Sagen Sie mir doch bitte, wo ich bin.« Sie krabbelte auf den Knien bis zu der

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