Erbarmen
erzählt, dass er sich Ihrem Gefühl nach entdeckt gefühlt habe?«
»Ja. Aber sie meinte, er wäre nur erschrocken.«
»Aber Sie sahen das anders?«
»Natürlich hatte er sich erschreckt. Aber das war nicht alles.«
»Mit anderen Worten, Uffe versteht mehr, als wir glauben?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass er sich an den Unfall erinnert. Vielleicht ist das auch das Einzige, woran er sich tatsächlich erinnert. Dass er sich deshalb automatisch an den Tag erinnert, als seine Schwester verschwand, ist überhaupt nicht gesagt. Ich bin mir nicht einmal sicher, dass er noch Erinnerungen an seine Schwester hat.«
»Hat man das während der Verhöre denn nicht überprüft?«
»Das war in Uffes Fall schwierig. Ich habe der Polizei ein bisschen zu helfen versucht, Uffe zu öffnen, als er in Untersuchungshaft saß. Ich wollte ihn dazu bringen, dass er sich an die Ereignisse an Bord der Fähre erinnerte. Wir hatten an der Wand Fotos von den verschiedenen Decks angebracht. Wir hatten winzige menschliche Figuren und ein kleines Modell der Fähre auf dem Tisch platziert und daneben eine Wanne mit Wasser. Wir hofften, dass er damit spielen würde. Einer der Psychologen und ich sahen ihm durch eine verspiegelte Scheibe zu, aber er spielte nicht mit dem Schiffsmodell.«
» Er erinnerte sich also nicht daran, auch wenn seitdem erst kurze Zeit vergangen war?«
»Ich weiß es nicht.«
»Für mich wäre es interessant zu wissen, ob es einen Tunnel in Uffes Erinnerung gibt. Und wenn es nur eine winzige Kleinigkeit wäre, die uns helfen könnte zu verstehen, was damals auf der Fähre geschah. Damit wir etwas haben, womit wir weiterarbeiten können.«
»Ja, das kann ich verstehen.«
»Haben Sie der Polizei damals von der Episode mit dem Holzklötzchen erzählt?«
»Ja, einem Ihrer Kollegen von der Mobilen Einsatztruppe. Warten Sie: Børge Bak hieß der.«
Hieß Bak tatsächlich mit Vornamen Børge? Das erklärte ja so einiges.
»Ich kenne ihn sehr gut. In seinem Bericht taucht das allerdings nicht auf. Haben Sie dafür eine Erklärung?«
»Ich weiß es nicht. Aber später sind wir auch nicht mehr näher darauf eingegangen. In dem Bericht der Psychologen und Psychiater steht es möglicherweise. Aber den bekam ich nie zu lesen.«
»Vielleicht ist der in Egely, wo Uffe untergebracht ist?«
»Wahrscheinlich, aber ich glaube nicht, dass er das Bild von Uffe entscheidend ergänzt. Die meisten dachten wie ich, dass die Geschichte mit dem Holzklötzchen wohl eine spontane Sache gewesen war. Dass sich Uffe im Grunde nicht erinnerte und dass wir in dem Fall Merete Lynggaard nicht weiterkommen, wenn wir uns weiter auf ihn konzentrieren.«
»Und so wurde die Anklage eingestellt und Uffe aus dem Untersuchungsgefängnis entlassen.«
»Ja, so war das.«
Kap 20 - 2007
»Mensch, Marcus, ich weiß auch nicht, was wir jetzt machen sollen.«
Sein Stellvertreter sah ihn an, als hätte er gerade gehört, dass sein Haus abgebrannt sei.
»Und du bist ganz sicher, dass die Journalisten nicht lieber mit mir oder dem Pressesprecher reden wollen?«, fragte der Chef der Mordkommission.
»Sie baten ausdrücklich darum, Carl zu interviewen. Sie haben mit Piv Vestergård geredet, und die hat die Journalisten an ihn verwiesen.«
»Warum hast du nicht gesagt, er sei krank oder dienstlich unterwegs oder einfach, er wolle nicht? Einfach irgendwas ? Wir können ihn doch nicht hängenlassen ! Die Journalisten vom Dänischen Radio bringen ihn in Teufels Küche.«
»Das weiß ich auch.«
»Lars. Wir müssen ihn dazu bringen, dass er selbst absagt.«
»Das ist dann wohl eher deine Aufgabe.«
Knapp zehn Minuten später stand Carl Mørck bei Marcus Jacobsen in der Tür.
»Na, Carl«, sagte der. »Kommst du voran?«
Er zuckte die Achseln. »Nur damit du es weißt, Bak hat keinen blassen Schimmer von dem Fall Lynggaard.«
»Kann ich mir kaum vorstellen. Aber du weißt mehr?«
Carl trat ins Zimmer und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Du kannst keine Wunder erwarten.«
»Also gibt's über den Fall gar nicht allzu viel Neues zu berichten ?«
»Noch nicht.«
»Sollen wir den Journalisten dann lieber sagen, es sei noch zu früh für ein Interview?«
»Ich werde einen Teufel tun und mit irgendjemandem über den Fall sprechen.«
Marcus Jacobsen merkte, wie sich seine Erleichterung in einem etwas zu breiten Lächeln Bahn brach. »Das kann ich gut verstehen, Carl. Wenn man mitten in den Ermittlungen steckt, hat man einfach nicht den
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