Erbarmen
an Sonne.
Und dann kehrte die Dunkelheit zurück.
Kap 19 - 2007
Der Fotokopierer, den der NEC dem Sonderdezernat Q leihweise zur Verfügung gestellt hatte, war nagelneu. Die Formulierung »nur leihweise« war ein untrüglicher Beweis dafür, dass die vom NEC Carl nicht kannten, denn wenn der Kopierer erst einmal in den Keller transportiert und auf dem Flur aufgestellt war, würde Carl Mørck ihn mit Sicherheit nicht wieder hergeben.
»Assad. Kopier alle Akten des Falls«, sagte er und deutete auf das Gerät. »Mir ist es egal, wie lange das dauert, und wenn du den ganzen Tag dafür brauchst. Und wenn du damit fertig bist, fährst du in die Klinik für Wirbelsäulenverletzungen und erzählst meinem alten Partner Hardy Henningsen alles über den Fall. Er wird dich wie Luft behandeln, aber daraus darfst du dir nichts machen. Er hat ein Gedächtnis wie ein Elefant und Ohren wie eine Fledermaus. Bleib einfach dran.«
Assad stellte sich vor das Monstrum im Keller und studierte die Tasten und Symbole. »Wie macht man das denn mit so einem?«, fragte er.
»Hast du noch nie etwas fotokopiert?«
»Nicht mit so einem, mit solchen Zeichnungen, nein.«
Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Das sollte derselbe Mann sein, der innerhalb von zehn Minuten seinen Fernseher installiert hatte?
»Herr im Himmel, Assad. Also: Du legst das Original einfach da hin, und dann drückst du auf den Knopf hier.« Es schien zu funktionieren.
Baks Anrufbeantworter gab den zu erwartenden Senf von sich:
Vizekriminalkommissar Bak war leider wegen eines Mordfalls nicht zu sprechen.
Die nette Sekretärin mit den leicht schrägen Schneidezähnen ergänzte die Information, indem sie ihm mitteilte, Bak und ein Kollege seien wegen einer Festnahme draußen in Valby.
»Lis, du sagst mir Bescheid, wenn der Blödmann wieder auftaucht, ja?«
Anderthalb Stunden später - Bak und sein Kollege hatten schon mit der Vernehmung begonnen - platzte Carl herein. Der Mann in Handschellen war ein ganz durchschnittlicher Typ, jung und müde und wahnsinnig erkältet. »Nun putzt dem Mann doch mal die Nase«, sagte Carl und deutete auf den Rotz, der zum Mund des jungen Mannes lief. An dessen Stelle hätte Carl den Mund auch nicht aufgemacht.
»Verstehst du kein Dänisch, Carl?« Diesmal hatte Bak einen hochroten Kopf. Dazu gehörte dann doch einiges. »Warte gefälligst draußen. Du störst jetzt schon zum zweiten Mal bei einer Vernehmung, es reicht. Ist das klar?«
»Fünf Minuten, dann hast du deine Ruhe, ich verspreche es.« Dass Bak dann anderthalb Stunden brauchte, um Carl zu erzählen, dass er erst sehr spät in den Lynggaard-Fall eingeschaltet worden sei und von nichts eine Ahnung hatte, das war sein Problem. Wozu dann um Himmels willen all diese Umständlichkeiten? Warum hatte er das nicht gleich gesagt?
Immerhin hatte Carl schließlich die Telefonnummer von Karen Mortensen, Uffes inzwischen pensionierter Sachbearbeiterin in der Gemeindeverwaltung Stevns. Und die Nummer von Claes Damsgaard, seines Zeichens Polizeioberinspektor.
Der hatte damals die Ermittlungen der Mobilen Einsatztruppe geleitet. Jetzt, erklärte Bak, sitze er im Polizeibezirk Mittelund Westseeland. Warum sagte er nicht einfach, dass der Mann in Roskilde saß?
Der zweite der Chefs aus der Gruppe der Ermittler war schon verstorben. Nur zwei Jahre hatte er nach der Pensionierung noch gehabt. So viel zum Thema Restlebenszeit pensionierter Polizeibeamter in Dänemark.
Das wär doch was für das >Guinnessbuch der Rekorde<, dachte Mørck.
Polizeioberinspektor Claes Damsgaard war ein ganz anderes Kaliber als Bak. Freundlich, entgegenkommend, interessiert. Ja, doch, vom Sonderdezernat Q hatte er schon gehört. Und ob er wusste, wer Carl Mørck war! Hatte er nicht damals den Fall des ertrunkenen Mädchens bei Femøren im Stadtpark Amager gelöst und auch diesen Wahnsinnsmord draußen in der Nordweststadt, wo man eine alte Frau aus einem Fenster geworfen hatte? Auf jeden Fall sei er in Roskilde für ein Briefing jederzeit willkommen. Der Fall Lynggaard sei eine traurige Geschichte. Carl brauche nur Bescheid zu sagen, und wenn er helfen könne, dann würde er das gern tun.
Netter Kerl, konnte Carl gerade noch denken, bevor ihm der andere erzählte, er müsse sich allerdings drei Wochen gedulden, da er und seine Frau mit der Tochter und dem Schwiegersohn auf die Seychellen fliegen würden. » Bevor die Inseln vom Schmelzwasser der Polarkappen überschwemmt werden«, ergänzte er
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