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Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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einfach die Situation im Kopf durchgespielt.« Er klopfte sich mit dem Fingerknöchel an den Schädel. »Ich habe im Hauswirtschaftsraum die Schuhe ausgezogen und den Mantel an den Haken gehängt. Ich habe nur so getan als ob, weil es den Haken nicht mehr gibt. Aber dann stellte ich mir im Kopf vor, dass sie vielleicht in beiden Händen etwas hatte. In der einen Hand Papiere und in der anderen die Aktentasche. Und dann dachte ich, dass sie nicht den Mantel ausziehen konnte, ohne zuerst das abzulegen, was sie in Händen hielt.«
    »Und die Heizung stand am nächsten?«
    »Ja, Carl. Genau daneben.«
    »Warum hat sie dann nicht anschließend die Aktentasche mit ins Wohnzimmer oder in ihr Büro genommen?«
    »Darauf komme ich gleich, Carl, eine Minute noch. Ich sah oben auf den Heizkessel, aber da war die Tasche nicht. Damit hatte ich auch gar nicht gerechnet. Aber weißt du, was ich dann sah, Carl?«
    Carl starrte ihn an und wartete auf die Antwort.
    »Ich sah, dass zwischen dem Heizkessel und der Decke mindestens ein Meter Luft war.«
    »Na so was.« Carl klang matt.
    »Und dann dachte ich, die legt sie nicht auf den schmutzigen Ofen, denn die hat doch ihrem Vater gehört und deshalb passt sie gut darauf auf.«
    »Ich kann es nicht so ganz nachvollziehen.«
    »Sie legte sie nicht, Carl, sie stellte sie oben auf die Heizung. Wie man sie auch auf den Fußboden stellt. Platz war ja genug da.«
    »Das hatte sie also getan, und dann war die Tasche umgefallen und hinter die Heizung gerutscht.«
    Assads Lächeln war die Antwort. »Der Ratscher auf der anderen Seite ist ganz neu, sieh ihn dir an.«
    Carl schloss die Mappe und drehte sie um. So neu sah der seiner Meinung nach nicht aus.
    »Ja, ich hab die Mappe abgewischt, denn die war doch total eingestaubt. Deshalb ist der Kratzer jetzt vielleicht ein bisschen dunkel. Aber als ich sie fand, sah er ganz frisch aus. Das stimmt, Carl.«
    »Herrgott noch mal, Assad, du hast doch wohl nicht etwa die Tasche abgewischt? Dann hast du womöglich auch die Sachen darin angefasst?«
    Er nickte wieder, aber diesmal zurückhaltender.
    »Assad.« Carl holte tief Luft, damit das, was er zu sagen hatte, nicht zu hart kam. »Nächstes Mal, wenn du etwas Wichtiges findest, dann hältst du die Pfoten zurück, okay?«
    »Pfoten?«
    »Deine Hände, Assad, deine Hände! Wenn du so was machst, kannst du wichtige Spuren vernichten, ist das klar?«
    Er nickte. Sehr zurückhaltend. »Ich hab den Hemdenärmel über die Hand gezogen, Carl.«
    »Okay, Assad. Gut mitgedacht. Du meinst also, die Tasche hat den zweiten Kratzer auf die gleiche Weise bekommen wie den ersten?« Er drehte die Tasche noch einmal um. Die beiden Ratscher waren nahezu identisch. Dann war der alte Kratzer also nicht damals 1986 bei dem Autounfall entstanden.
    »Ja. Ich glaube, die ist nicht zum ersten Mal hinter die Heizung gefallen. Als ich sie fand, war sie zwischen den Rohren hinter dem Ölheizungskessel eingeklemmt. Ich musste ziehen und zerren, um sie da rauszukriegen. Das muss Merete auch ein paarmal passiert sein, da bin ich mir ganz sicher.«
    »Und warum ist sie dann nicht öfter dahintergefallen ?«
    »Das ist sie bestimmt auch. Denn wenn man die Tür aufmacht, zieht es in dem Hauswirtschaftsraum ziemlich stark. Aber sie ist dann eben nicht ganz runtergefallen.«
    »Ich komme auf meine Frage zurück. Warum hat Merete sie nicht mit ins Haus genommen?«
    »Wenn sie zu Hause war, wollte sie ihre Ruhe haben. Sie hatte keine Lust, das Handy zu hören, Carl.« Er zog die Augenbrauen in die Höhe. »Glaubst du nicht auch?«
    Carl sah auf die Tasche. Merete Lynggaard nahm die Tasche mit nach Hause, das war logisch. Darin lagen ihr Kalender und vielleicht auch Aufzeichnungen, die in manchen Situationen wichtig sein konnten. In der Regel nahm sie so viele Papiere und Akten zum Lesen mit nach Hause, dass sie reichlich zu tun hatte. Sie hatte einen Festnetzanschluss, dessen Nummer nur wenige Auserwählte benutzen konnten. Das Handy war für einen größeren Kreis von Menschen, die Nummer stand auch auf ihrer Visitenkarte. Alles recht widersprüchlich.
    »Und du glaubst nicht, dass man das Klingeln des Handys auch in den Wohnräumen hören konnte, wenn die Tasche dort im Hauswirtschaftsraum lag?«
    »Noway.«
    Carl hatte nicht gewusst, dass er auch Englisch konnte. »Ach, hier sitzt ihr also und lasst es euch gut gehen«, war eine helle Stimme hinter ihnen zu hören.
    Keiner von beiden hatte Lis kommen hören.
    »Ich habe hier noch ein

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