Erbarmen
von innen bombardiert hätten. Aber hier irrte Carl - wie sich zeigte, als er die Tür aufmachte.
Das Mädchen, an dessen Brüsten Jesper unter ihrer Bluse fummelte, stieß einen markerschütternden Schrei aus. Und Jespers Blick ließ keine Fragen offen.
»Entschuldigung«, sagte Carl unwillig, während Jespers Hände den Weg aus der Problemstellung fanden und die Wangen des Mädchens so rot wurden wie der Grundton des Che-Guevara-Plakats an der Wand hinter den beiden. Carl kannte sie. Sie war höchstens vierzehn, sah aber wie zwanzig aus und wohnte im Zedernweg. Ihre Mutter hatte früher bestimmt genauso ausgesehen, musste mit den Jahren aber nun die bittere Erfahrung machen, dass es nicht immer von Vorteil war, älter auszusehen.
»Verflucht, Carl, was machst du hier?« Jesper sprang von der Schlafcouch hoch.
Carl entschuldigte sich ein zweites Mal und wies auf das obligatorische Türklopfen hin, das ohne Resonanz geblieben sei. »Macht nur weiter, bevor ihr ... Ich hab nur eine kurze Frage, Jesper. Weißt du, wo du deine alten Playmobil-Spielsachen aufhebst?«
Sein Ziehsohn sah aus, als würde er ihm am liebsten eine Handgranate ins Gesicht schleudern. Das Timing für die Frage war denkbar schlecht, das sah auch Carl ein.
Er nickte dem Mädchen entschuldigend zu. »Ja, ich weiß, das klingt jetzt komisch, aber ich brauche die Sachen für eine Ermittlung.« Er wandte seinen Blick wieder Jesper zu und konnte die Dolche spüren, die ihn durchbohrten. »Hast du die Plastikfiguren noch, Jesper? Ich kauf sie dir auch ab.«
»Verdammt, mach, dass du hier rauskommst. Geh runter zu Morten. Vielleicht kannst du dem was abkaufen, aber dann nimm den großen Geldbeutel mit.«
Carl runzelte die Stirn. Was hatte der große Geldbeutel damit zu tun?
Es war vielleicht anderthalb Jahre her, seit Carl zuletzt unten bei Morten Holland angeklopft hatte. Auch wenn der Untermieter sich im Erdgeschoss wie ein Familienmitglied bewegte, so war doch sein Leben im Souterrain immer diskret abgeschirmt gewesen. Er trug immerhin einen nicht unbeträchtlichen Teil zur Miete bei. Außerdem wollte Carl auch gar nicht mehr von Morten und seinen Angewohnheiten wissen, die womöglich dessen Image ins Wanken gebracht hätten. Deshalb hielt er sich fern.
Diese Sorge war allerdings ganz und gar unbegründet, denn alles bei Morten dort unten war ungewöhnlich nüchtern. Abgesehen von ein paar sehr breitschultrigen Typen und großbusigen Mädchen auf den meterhohen Plakaten hätte es genauso gut irgendeine Seniorenwohnung in Prins Valdemars Alle sein können.
Nach dem Schicksal von Jespers Playmobil-Spielzeug befragt, lotste ihn Morten zur Sauna. Eine Einrichtung, die zur Grundausstattung sämtlicher Häuser in Rønneholtpark gehörte. Sie war in neunundneunzig Prozent aller Fälle in der Zwischenzeit abgerissen oder zum Aufbewahrungsraum für allen möglichen Kram umfunktioniert worden.
»Bitte sehr, voila!«, sagte Morten und riss stolz die große Saunatür auf. Der Raum war von oben bis unten mit Regalen ausgestattet, die sich förmlich unter all dem Spielzeugbogen, das noch vor wenigen Jahren auf Flohmärkten keine Chance gehabt hätte. Kinderüberraschungsei-Figuren, Star-Wars-Figuren, Ninja-Turtles- und Playmobil-Figuren. Die Hälfte dessen, was dieses Haus an Plastik enthielt, stand auf den Regalen.
»Schau hier, zwei der Originalfiguren aus der Serie von der Spielzeugmesse in Nürnberg 1974«, sagte Morten und hob stolz zwei kleine Figuren mit Helm vom Regal.
»Nummer 3219 mit Hacke und 3220 mit der Kelle des Verkehrspolizisten, beide intakt«, fuhr er fort. »Ist das nicht wahnsinnig?«
Carl nickte. Er hätte kein besseres Wort finden können. »Mir fehlt nur 3218, dann habe ich den Satz Handwerker komplett. Jesper hat meine Sammlung mit 3201 und 3203 ergänzt. Sieh mal, sind die nicht phantastisch? Man kann kaum glauben, dass Jesper sie je benutzt hat.«
Carl schüttelte den Kopf. Das war eindeutig Geldverschwendung gewesen.
»Und er hat sie für nur zweitausend verkauft. Das war echt total nett von ihm.«
Carl starrte auf die Regalbretter. Wenn es nach ihm ginge, würde er Morten und Jesper ein paar passende Worte erzählen. Von einer Zeit, als er zwei Kronen in der Stunde bekam, um Mist auf den Feldern zu verteilen.
»Hast du welche, die ich bis morgen ausleihen kann? Am liebsten die hier«, sagte er und deutete auf eine kleine Familie mit Hund und allem Drum und Dran.
Morten Holland sah ihn an, als hätte er Nägel
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