Erbarmungslos: Thriller (German Edition)
war.
Die Fluggäste wurden auf Chinesisch, Englisch und in einer Sprache, die Kyra für Koreanisch hielt, aufgefordert einzusteigen. Als sie sich auf den Weg zum Schalter machten, stieß Kyra erleichtert die Luft aus, die sie angehalten hatte, ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein.
Doch die Erleichterung währte nur kurz. Die Passagiere drehten sich um, als aus der Ferne Rufe zu hören waren. Zwei Zivilisten in Anzügen und mit Funkgeräten in den Händen, gefolgt von vier Uniformierten mit gezogenen Waffen, rannten auf die Fluggäste zu. Weitere Männer in Anzügen und Uniformen rannten zu den anderen Flugsteigen.
Die Anzüge – Kyra vermutete, dass sie von der Staatssicherheit waren – sprachen laut auf Chinesisch, woraufhin sich die Menge vor ihnen teilte. Am Ausgang stellten sie sich neben die Wachen und die Mitarbeiter der Fluglinie. Die Wachen schüttelten auf die Fragen der Anzüge heftig den Kopf. Die Anzüge schoben sie beiseite und bellten den Mitarbeitern der Fluglinie Befehle zu, woraufhin eine zierliche Chinesin zum Wandmikrofon griff und eine Ankündigung in Chinesisch und Englisch machte.
»Meine Damen und Herren, wir werden nun mit dem Boarding beginnen. Als weitere Sicherheitsmaßnahme bitten wir Sie, neben Ihrer Bordkarte auch Ihren Reisepass zur Kontrolle bereitzuhalten. Wir danken für Ihre Mitarbeit. Wir bitten die Passagiere der ersten und der Businessclass sowie Passagiere, die für den Einstieg mehr Zeit oder Unterstützung benötigen, nun zum Schalter zu kommen.«
Kyra bemühte sich, nicht tief einzuatmen, und zog ihren gefälschten Reisepass aus ihrem Handgepäck. Sie und Jonathan hatten Sitze in der Economyclass. Wo Mitchell und Pioneer sitzen würden, wusste sie nicht. Sie sah sich kurz um – Jonathan stand fast am Durchgang zehn Meter von ihr entfernt. Sie nahm keinen Blickkontakt mit ihm auf. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen, weil er nicht derjenige war, der in einer Sackgasse einen MSS -Offizier zusammengeschlagen hatte oder mehreren anderen während einer Flucht mit dem am meisten gesuchten Mann in der Volksrepublik China entwischt war.
Die MSS -Offiziere standen dicht nebeneinander. Der erste nahm die Pässe entgegen und glich sie, zusammen mit seinem Kollegen, mit einer Liste ab, die dieser hielt, bevor sie das Foto mit dem Gesicht des Passagiers verglichen.
Sie winkten den ersten Passagier durch.
Sie wissen, dass er abgehauen ist . Das MSS hatte Rebecca und Roland mit ziemlicher Sicherheit festgenommen. Doch die zahlreichen Sicherheitsbeamten und Soldaten, die durch die Abflughalle gerannt waren, bedeuteten, dass sie keine Ahnung hatten, wo Pioneer steckte.
Kyra näherte sich dem Ausgang. Ein alter Koreaner mit Stock war an der Reihe und reichte den Sicherheitsbeamten seine Bordkarte und seinen Reisepass. Einer der Beamten blätterte durch den Pass bis zum Visumstempel, den er einen Moment lang prüfte. Dann schlug er die erste Seite wieder auf und hielt das Foto neben die Liste seines Kollegen, mit dem er sich auf Chinesisch beriet. Sein Kollege sagte etwas in sein Funkgerät und wartete auf eine Antwort. Kyra wünschte inständig, sie könnte die Sprache verstehen, um ein Gefühl für die Angst der Chinesen zu bekommen.
Der Koreaner blieb seelenruhig stehen, während die beiden Offiziere seinen Fall besprachen. Derjenige, der den Pass hielt, beugte sich vor und prüfte das Gesicht des Mannes. Der Koreaner, dem die Überprüfung offenbar unangenehm war, schob eine Haarsträhne zurück, ließ sich aber ansonsten von den Offizieren nicht beeindrucken.
Der MSS -Offizier runzelte die Stirn, klappte den Pass zu und gab ihn dem Koreaner zurück. Die Mitarbeiterin der Fluglinie begrüßte ihn höflich auf Chinesisch. Er nickte und reichte ihr seine Bordkarte, die sie unter ein Lesegerät hielt und ihm zurückgeben wollte. Doch der Koreaner war noch immer damit beschäftigt, seinen Pass mit zitternden Händen einzustecken. Kyra hatte das Gefühl, die Schlange würde sich überhaupt nicht mehr weiterbewegen. Endlich hatte er den Pass verstaut, nahm die Bordkarte und schlurfte unbeholfen weiter.
Die anderen Passagiere vor ihr wurden abgefertigt, bis sie selbst an der Reihe war und ihren Pass abgab. Sie konzentrierte sich auf ihre Finger, damit sie nicht zitterten, weil sie nicht erkennen lassen wollte, wie unwohl sie sich fühlte. Der MSS -Offizier warf der vor ihm stehenden brünetten Frau einen langen bösen Blick zu, bevor er den gefälschten Pass öffnete. Kyra
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