Erbarmungslos: Thriller (German Edition)
und grau meliertes Haar mit beginnender Glatze, der Koreaner ging auf einen Stock gestützt, wirkte aber munterer, als sein Alter vermuten ließ.
»Ich bin Kwon«, stellte sich der Mann auf Koreanisch vor. Das war eindeutig gelogen. Er sprach mit starkem Akzent und hatte den Satz mit Sicherheit auswendig gelernt. Wahrscheinlich wusste er nicht einmal, was er bedeutete.
»Angenehm«, erwiderte Sachs. »Kommen Sie mit, ich bringe Sie zum nächsten Flug.«
»Noch nicht«, meldete sich Mitchell zu Wort. »Wir brauchen einen ungestörten Ort, wo wir diesem Herrn ein paar Fragen stellen können.«
»Sie sind Mitchell?«, fragte Sachs. Mitchell nickte. »In einem privaten Hangar steht ein Charterflugzeug. Der sicherste Ort für ein Gespräch ist wahrscheinlich das Flugzeug selbst.«
»Soll mir recht sein«, sagte Mitchell. Sachs blickte unentwegt in Richtung Tür, aus der die Passagiere herausströmten. Ein zweites Paar aus dem Westen sah sich kurz um und kam auf sie zu. Die Frau war ziemlich hübsch, dachte Sachs, hatte kurzes brünettes Haar und eine Brille. Sie war mit Sicherheit Führungsoffizierin. Wie alt mochte sie wirklich sein? Es war leichter, einen jüngeren Menschen älter aussehen zu lassen als umgekehrt.
»Zeit für ein Gespräch?«, fragte Kyra ohne Umschweife.
»Privathangar«, antwortete Mitchell. »Sie haben fünfzehn Minuten. Reicht das?«
»Das werden wir herausfinden«, sagte Jonathan.
Mitchell winkte die anderen in den Loungebereich im Heck des Flugzeugs. Jonathan beugte sich vor und betrachtete das Gesicht des Chinesen. Er hatte Pioneers Alter aus der Akte berechnet, die er Barron abgeschwatzt hatte. Der chinesische Spion hatte währenddes Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens das College besucht, was hieß, dass er jetzt ein Mann mittleren Alters sein müsste, doch die Verkleidung ließ davon nichts mehr erkennen. Er hatte ihn nur ganz kurz gesehen, bevor Monaghan Hand an ihn angelegt hatte, doch auch ohne Verkleidung hatte er irgendwie älter gewirkt, wobei Jonathan nichts als Vergleich heranziehen konnte. Andererseits war es nicht überraschend, wenn das Leben als Spion nach mehr als zwanzig Jahren seine Spuren hinterließ.
»Ich heiße Jonathan, das ist Kyra«, begann Jonathan auf Englisch. »Ich möchte Ihnen einige Fragen zum shashoujian -Programm stellen.« Mitchell übersetzte. Auch wenn es ihm nicht gefiel, die echten Namen zu verwenden, sagte er dazu nichts. Der Begriff shashoujian war das Einzige, was Jonathan aus der Übersetzung heraushörte. Diese wunderbare Sprache, die er mit Sicherheit nie beherrschen würde, hörte sich an wie Gesang. Er sprach nur romanische Sprachen, die für ihn schon schwierig genug waren.
Pioneer nickte. »Ich wünschte, ich hätte mehr Zugang zu Informationen über die shashoujian gehabt, aber vieles davon war auch für mich geheim. Was genau möchten Sie wissen?«
»Wir haben Ihre Berichte durchgesehen. Bis 1999 gab es keinen Fortschritt zum shashoujian . Stimmt das?«
»Das stimmt. Jiang Zemin begann 1996 mit diesem Programm, aber drei Jahre lang gab es kaum etwas, das einen Bericht wert gewesen wäre. Ein paar Unterlagen, ein paar Bemühungen, US-Waffen zu stehlen. Mehrere führende Militäroffiziere entwickelten Ideen für Waffen, aber der VBA fehlte die Erfahrung, um die Entwürfe umzusetzen. Es war alles nur Science-Fiction.« Mitchell ging in seiner Übersetzung nicht auf die Gehässigkeit ein, die er aus Pioneers Stimme heraushörte. »Das waren nur dumme, alte Männer, die von Waffen träumten, die wir vielleicht erst in hundert Jahren bauen könnten. Nichts von dem, womit die VBA Ihre Flugzeugträger hätte erreichen können, konnte sie bauen.«
»Was hat sich dann 1999 geändert?«, fragte Kyra.
»Ich weiß nicht«, gestand Pioneer. »Wenn es einen Durchbruch gab, wurde er geheim gehalten. Es gab eine neue Zusammenarbeit zwischen der VBA und dem Xian Luftfahrtdesign- und Forschungsinstitut, aber darüber habe ich berichtet.«
Jonathan nickte. »Diesen Bericht habe ich gelesen. Wenn es keinen Erfolg gab, gab es dann bedeutende Fehlschläge, über die Sie nicht berichtet haben?«
»Warum erkundigen Sie sich nach Fehlschlägen?«, wollte Mitchell wissen.
»In der Wissenschaft geht es immer um Fehlschläge«, erklärte Jonathan. »Test, Fehlschlag, neuer Test bis zum Durchbruch. Wenn er um 1999 herum über irgendeinen größeren Fehlschlag in der Forschung Bescheid weiß, könnte dies uns zeigen, worauf die Forschung der VBA
Weitere Kostenlose Bücher