Erbarmungslos: Thriller (German Edition)
Sie nicht mit Mitchell oder Pioneer«, riet sie ihm. »Die beiden werden getrennt sitzen. Versuchen Sie, von beiden Abstand zu halten. Wenn Sie sich neben einen von beiden setzen müssen, dann neben Mitchell. Andernfalls lassen Sie sich von ihm finden, wenn Sie in Seoul aus dem Flugzeug steigen.«
»Kein Problem.« Jonathan wusste ganz gut, wie man sich in derartigen Fällen verhielt, trotzdem nickte er.
»Monaghan hat perfekte Arbeit geleistet«, lobte Kyra. »Aber wenn das MSS einen von beiden rauszieht, steigen Sie trotzdem ins Flugzeug und rufen nach der Landung die Botschaft an.« Die Telefonnummer stand auf einer leeren Karteikarte in seiner Brieftasche.
»Wenn das passiert, ist Pioneer tot«, sagte Jonathan. »Und Mitchell wandert ins Gefängnis.«
Kyra schwieg einen Moment. Er hatte recht. Im Fall einer Verhaftung würden sie Pioneer nicht mehr vor einem Schuss in den Hinterkopf retten können. Die Gerichtsverhandlung würde höchstens ein paar Wochen dauern. »Nein. Aber jemand muss der Direktorin sofort Bericht erstatten.«
»Stimmt.« Beide verfielen in Schweigen. Das GPS-Gerät auf dem Armaturenbrett lenkte sie zum Flughafen, wo Kyra den Wagen in einem Parkhaus abstellte. Ein Mitarbeiter der Botschaft würde ihn später abholen.
Kyra schaltete den Motor aus. »Ich gehe zuerst rein. Folgen Sie mir in fünf Minuten.«
»Dann sehen wir uns also in Seoul.«
Kyra passierte die Flughafensicherheit, ohne die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, nahm ihr Handgepäck vom Laufband und ging weiter zu ihrem Flugsteig. Es war nicht viel los, doch es trieben sich mehr uniformierte Wachleute herum als am Abend ihrer Ankunft, und neben den Ausgängen, die zu den Flugzeugen führten, standen Soldaten. Die Stimmung war aber nicht angespannt, auch wenn sich einige Westler durch die prüfenden Blicke bedrängt zu fühlen schienen. Die asiatischen Passagiere hingegen ließen sich nicht beeindrucken. Die Ruhe war ein gutes Zeichen. Hätten sich die Soldaten aufdringlich zwischen den Fluggästen bewegt, wäre dies ein sicherer Hinweis darauf gewesen, dass das MSS irgendeinen Verdacht hatte. Kyra hatte ihren Zaubertrick fast zwei Stunden zuvor durchgeführt. Nach Mitchells großzügiger Schätzung blieb ihnen noch mindestens eine Stunde, bevor das MSS herausfinden würde, dass Pioneer verschwunden war. Jonathan war nicht so optimistisch, doch auch wenn sich seine Rechnung als die bessere erwies, würde das MSS das Spiel verlieren. Es gab so viele Möglichkeiten, Peking zu verlassen, und das MSS konnte nicht alle im Auge behalten. Selbst mit der Unterstützung der VBA und der anderen Sicherheitsdienste würden sie nur wenige Einsatzkräfte an die wichtigsten Knotenpunkte schicken können. Und damit hatten sie noch längst nicht die Gewissheit, dass die CIA ihren Spion nicht einfach in einem Auto fortbrachte. China war ein sehr großes Land. Die Möglichkeiten zu entkommen waren zahlreich, nicht aber die Möglichkeiten der Absicherung. Zeit und Geografie arbeiteten gegen das MSS .
Als Kyra ihren Flugsteig gefunden hatte, ließ sie den Blick schweifen. Mitchell hatte recht gehabt, als er gesagt hatte, die Flüge nach Seoul seien zu dieser Zeit gewöhnlich ziemlich ausgebucht. Nachdem sie den Sitzplatz nicht selbst auswählen konnte, würden die Sicherheitskräfte unmöglich eine Verbindung zu ihr und ihren Reisebegleitern herstellen können. Sie setzte sich im Wartebereich auf einen freien Platz und blickte hinaus auf das dunkle Hallenvorfeld.
Zwei Wachen standen neben dem Flugsteig. Kyra bemerkte, dass sie kurz von ihnen beobachtet wurde, doch keiner von ihnen kam auf sie zu. Ihre Uhr, die die Zeit auf eine Hundertstelsekunde genau maß, zeigte, dass noch acht Minuten bis zum angegebenen Einstieg blieben. Mitchell hatte versucht, ihren Aufenthalt am Flughafen und damit die Möglichkeit, beobachtet und identifiziert zu werden, so kurz wie möglich zu halten. Seltsam, wie die Zeit gleichzeitig Möglichkeiten eröffnen und zum Feind werden konnte. Jonathan hatte den Flughafen fünf Minuten nach ihr betreten. Mitchell und Pioneer müssten bereits eingetroffen sein, doch sie konnte sie in der Menge nicht erkennen, drehte sich aber auch nicht suchend nach ihnen um. Die Menschen wären nicht so ruhig, wenn die Soldaten zwei Männer abgeführt hätten. Das hieß, Mitchell und Pioneer waren frei, sofern sie den Flughafen erreicht hatten.
Würde sich der Einstieg verzögern, wäre dies der erste Hinweis, dass etwas schiefgelaufen
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