Erbe des Drachenblutes (German Edition)
wand sie den Kopf nach unten, direkt dorthin, wo sie Mina zu ihrem eigenen Schutz unter sich geschoben hatte. Mina lag am Boden und wand sich vor Schmerzen. Dann sah Lian auch die fremde Sprecherin. Es war ein Mädchen, nicht älter als Mina, aber vollkommen anders. Ihr ganzer schmaler Körper strahlte verdorbene Magie aus, als sei sie darin geschmiedet worden.
»Du … «, begann Lian. »Du bist eine Hexe!«
Ignis schmunzelte verwegen. »Komm näher, dann verrate ich dir auch meinen Namen.«
Sie hatte einen kleinen, unauffälligen Dolch gezogen. Lian hatte kaum die Chance, sich die Fremde genauer zu betrachten. Ohne Unterlass kamen die feindlichen Krieger auf sie zugestürmt und versuchten sie zu verletzen. Lian wusste, dass sie keinen Erfolg haben konnten, haben dürften. Ihr Schuppenkleid war stabiler als jedes normale Schwert, dennoch hatte sie einige Verwundungen davongetragen. Überwiegend waren es die Armbrustbolzen, die ihr Ziel erreicht hatten. Sie hatten sich ihren Weg zwischen den Schuppen hindurch gesucht und sie verletzt. Lian wusste, dass es dafür nur eine Erklärung gab: Die Spitzen der Bolzen waren aus Drachenzähnen geformt.
Wutschnaubend drehte sie den Kopf erneut zu den Angreifern, weg von Ignis. Diese nutzte den Moment und rannte los. Gleichzeitig schickte sie mental einen Befehl an all ihre Krieger. Der Befehl war klar und scharf wie ein Messer: Vergesst Lian, tötet Mina!
Die wenigen Krieger, die noch lebten, blickten sich um, entdeckten das Mädchen auf dem Boden unterhalb Lians Körper und zogen sich zurück. Lian bemerkte die Veränderung und riss den Kopf herum. Ihr Schwanz peitschte durch die Luft und erwischte einen Mann, der mit einem Speer in Minas Richtung rannte. Ignis jedoch konzentrierte sich nur auf Lians vorderen Bereich. Sie wusste, dass ihr Augenblick gleich kommen musste. Das, oder sie würde bei der Ausübung ihrer Pflicht ihr Leben lassen.
Nirvan hatte den Befehl auch bekommen. Entsetzt schaute er zu Mina, die versuchte, auf die Beine zu kommen. Er rannte in ihre Richtung, wissend, dass die anderen vor ihm bei ihr sein würden.
»Mina!«, brüllte er verzweifelt. Sie schien ihn nicht gehört zu haben. Gleich wie schnell er war, er würde zu spät kommen. Alles war schief gelaufen, alles, seitdem er den dunklen Kontinent verlassen hatte. Es gab nur noch eine Möglichkeit, Mina zu retten. Er musste das magische Netz fallen lassen, damit die Greifenreiter den Überfall hörten und ihr Eingreifen die Krieger ablenkte. Diese Ablenkung benötigte er, um zu Mina zu gelangen und sie zu beschützen. Ihr durfte nichts passieren, gleich welche Fehler er begangen hatte!
»Wer bist du, dass du es wagst, mich anzugreifen?«, rief Lian außer sich in Ignis‘ Richtung. Sie spürte, dass ihre Kraft schwand. Pfeile und Armbolzen prallten gegen ihre Schuppen, als sie sich vor Mina schob und den Angreifern somit den Weg versperrte. Einige fielen zu Boden, andere blieben ihr schmerzhaft in der Haut zwischen den Schuppen stecken. Für einen Drachen war eine Verletzung durch einen Pfeil nur ein Nadelstich, kaum der Rede wert, aber die Masse der Treffer stellten eine zunehmende Gefahr dar. Zudem zeigten die Angriffe, dass die Krieger keinerlei Respekt vor ihr hatten und tatsächlich ihr Ende forderten.
Ignis huschte zwischen den Beinen des Drachens umher, immer so, dass Lian eine Sekunde zu spät nach ihr schnappte oder mit einer Pranke nach ihr schlug. Lian wurde immer wütender, breitete die Flügel teilweise aus, konnte sie aber nicht strecken, da der Platz in dem Höhlenabschnitt nicht reichte.
Da spürten die Anwesenden eine Veränderung. Ignis blieb abrupt stehen und drehte den Kopf in Richtung eines der Krieger. Lian bemerkte das und folgte für einen kurzen Moment dem Blick. Sie sah einen jungen Menschenmann, dessen Augen rot aufglühten und dessen Stirn in tiefen Falten lag. Lian seufzte erleichtert auf. Sie fühlte sich, als sei ihr eine unbekannte Last vom Geist genommen worden.
»Mina!«, rief der Mann laut und besorgt aus, dann stürzte er sich in das dichteste Kampfgetümmel. Erkenntnis flammte kurz in Lians Geist auf. Sein Gesicht schien sie aus Minas Erinnerungen zu kennen, aber dafür hatte sie keine Zeit. Wo war die Hexe?
Ignis wusste, dass sie schnell handeln musste. Nirvan hatte sie verraten. Sie hatte bereits befürchtet, dass es so weit kommen würde, aber nicht geglaubt, dass er es inmitten ihres größten Triumpf tun würde. Seit Tagen hatte sie mit einer
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