Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Sein Gewand war an einigen Stellen zerrissen, seine Haare zerzaust, und in seinem Gesicht klebte Schmutz. Als kein Zweifel mehr bestanden hatte, dass Tempelburg verloren war, hatte er mit den verbliebenden Ratsmitgliedern den Turm verlassen. Schnell hatten sie gemerkt, dass sie trotz ihrer Wachen selbst zur Waffe greifen mussten, um durch das Chaos zu gelangen. Die Elben hatten den Palast erreicht und arbeiteten sich in kleinen Gruppen Gang für Gang hindurch. Kleinere Feuer waren ausgebrochen und versperrten den Flüchtenden die Wege. Salvatorus hatte die Ratsmitglieder zuerst um sich herum versammelt. Dann aber hatte er sie in das tiefste Kellergewölbe geschickt, den vorerst sichersten Ort, der ihm einfiel. Dort sollten sie ausharren, bis er mit Unterstützung kam. Was er damit gewinnen wollte, war ihm selbst noch nicht klar, aber er wusste, dass die meisten Volksvertreter keine Kämpfer, sondern Diplomaten waren, und so wollte er sein Möglichstes tun, um sie zu schützen. Zumindest so lange, wie es möglich war. Seine Wachen hatte er ihnen zur Seite gestellt. Nur er selbst wollte sich nicht verstecken, sich nicht der Verantwortung entziehen. Er wusste zwar noch nicht, was er tun sollte, aber etwas zog ihn zielstrebig in das Zentrum des Geschehens.
Die Stadt war inzwischen vollständig eingenommen worden. Der Palast hatte vorerst noch standgehalten, doch viel zu schnell – wahrscheinlich durch Verrat – fielen auch dort die letzten Verteidigungslinien. Die verängstigten Bürger strömten auf den großen Hof innerhalb des Palasts und suchten dort vergeblich nach Sicherheit. Krieger der Regentin liefen durch die Gänge, um voreilende Angreifer zurückzuschlagen oder wenigstens ihren Vormarsch zu verlangsamen.
Salvatorus war sich nicht mehr sicher, um was die letzten Anhänger der Drachentochter eigentlich noch kämpften. Auf die rechtzeitige Rückkehr von Mina hoffte niemand mehr, und die noch nicht übergelaufenen Mitglieder des vereinten Völkerrates waren entweder tot oder versteckten sich wie Ratten vor einer Sintflut.
»Salvatorus!«
Wie betäubt drehte er sich um und schaute den Flur entlang. Für einen ewig wirkenden Augenblick sah er, wie es hier vor den Kampfhandlungen ausgesehen hatte. Er erinnerte sich an den makellosen weißen Marmor, die hohen Fensterbögen mit den seidenen Vorhängen und die unzähligen Spiegel, durch die rund um die Uhr sanftes Tageslicht simuliert worden war. Jetzt sah er die Überreste von verbrannten Vorhängen im Wind flattern, Blut an den Wänden, zerschlagene Spiegel und zwei tote Körper am hinteren Ende des Flurs.
»Salvatorus, hört Ihr uns denn nicht?«
Einige der Fensterbögen waren durch magische Angriffe zerstört. Riesige Löcher klafften in den Außenwänden, durch die Schreie aus dem Hof hinaufdrangen. Jetzt erst erkannte er zwei Gestalten auf ihn zukommen: eine schlank und hochgewachsen mit schulterlangen hellblonden Haaren, und eine viel zu klein geratene, grünhäutige. Erleichterung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. »Zados … Zados und Nexus! Bei Gaia, ihr seid hier!«
Leichtfüßig erreichte der Halbelb den Ratssprecher. »Wir müssen hier fort, Salvatorus! Angehörige von Banksia sind in den Palast eingedrungen. Sie haben mächtige Magier bei sich. Wir müssen Euch in Sicherheit bringen!«
»Das stimmt, ja, ja. Wir haben sie gesehen, wirklich! Sie haben einen Bewohner der Stadt Ogerfuß förmlich pulverisiert. Das war ein wirklich mächtiger Feuerzauber, oh ja! Der arme Kerl, ich kannte ihn, sein Name war Killian Hallamut.«
»Kilian Hallamut? Das kann nicht sein.« Vehement schüttelte Salvatorus den Kopf. »Er war ein Oger, der sich zuletzt offen zu Xsanthani bekannt hat, warum sollten seine eigenen Verbündeten ihn hinrichten, vor allem so grausam?«
Zados schaute sich um. Das Scheppern von aufeinanderschlagenden Waffen näherte sich.
»Auch wir wurden von unseren scheinbaren Verbündeten verraten! Es ist, wie es ist, Salvatorus, doch bitte erlaubt uns, Euch in Sicherheit zu bringen!«
Todesschreie waren zu vernehmen, dann eine Explosion. Jetzt wurde er lebhaft. »Gut, lasst uns gehen, doch ich weiß ehrlich gesagt nicht, wohin.«Nexus‘ Mundwinkel zogen sich bis zu den Ohrläppchen, dann zeigte er seine gelben Zähne voller Stolz. »Ich habe eine kleine Freundin, die sich hervorragend verstecken kann, wenn es darauf ankommt. Sie hat mir von einem Ort erzählt, in dem wir vorerst nicht nur sicher sind, sondern auch einen alten Freund
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