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Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Titel: Erbe des Drachenblutes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Thamm
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einer Klaue gegen den Brunnen. Steine fielen polternd in die Tiefe. »Ich habe es satt, mit dir zu diskutieren! Wann bist du eigentlich zu meinem Gewissen geworden? Ich wusste nicht, dass ich ein solches brauche. Du hast nun Jahrhunderte, gar Jahrtausende in deinem Loch ausgeharrt, also bleibe, wo du bist, und belehre mich nicht! Sei froh, dass ich dich vor der Welt da draußen beschütze, alter Mann!« Er wandte sich schnaufend um und bewegte sich wieder zu seinem onyxfarbenen Thron am anderen Ende des Saals.
    »Wo ist Medana!«, brüllte er aus voller Kehle in den Saal hinein. Als ob sie nur auf seinen Ruf gewartet hätten, sprangen zwei Düstersteinkobolde hinter den Steinsäulen hervor. Sie verneigten sich demütig und rannten hinaus.
    »Und sie soll sich beeilen, sonst fresse ich doch noch ihren neuen Schützling, diese kleine, rothaarige Blindschleiche!«
    Mina verkrampfte sich. Sie hatte das Gefühl, dass sie keine Luft mehr bekommen würde. Nirvan zog sie zu sich und nahm sie in den Arm. Wortlos drückte er sie an sich, und sie entspannte sich langsam. Dankbar sank sie gegen seine Brust.
    `Wir werden hier sterben´, kam ihr in den Sinn. Wie sollte es auch anders sein? Sie befanden sich im Inneren einer Wand, nur wenige Meter von ihrem größten Feind entfernt, mit der Absicht, vor ihn zu treten und ihn zu vernichten, ohne eine Ahnung zu haben, wie sie es machen sollten. `Aber was ist das Leben auch wert, wenn man keine Ideale hat?´
    »Mein Gebieter!«
    Mina zuckte zusammen und löste sich aus Nirvans Umarmung, der das nur widerwillig zuließ. Sie beide drückten sich wieder an die kleinen Sichtschlitze. Mina konnte nicht ahnen, dass es Nirvan gewesen war, der sie als Kind mühselig angebracht hatte. Sommu Seth hatte ihm beigebracht, dass er Freunde brauchte, aber seinen Feinden noch näher als seinen Freunden sein musste, um zu überleben. Im Saal, das hatte er schon mehrfach überprüft, waren die Löcher unmöglich zu sehen, denn sie waren in den Wandgravuren verborgen.
    »Mein Gebieter!«, wiederholte Medana mit kräftiger Stimme. Die buckelige Koboldschamanin, die man unter all den Lumpen, die sie als Kleidung trug, kaum ausmachen konnte, trat in Minas Sichtfeld. Mina sah sie zum ersten Mal und wunderte sich, wie alt und gebrechlich sie wirkte. Mit gebührendem Abstand blieb Medana vor dem Thron stehen. Hinter ihr näherten sich einige Düstersteinkobolde mit verängstigten Gesichtern. Sie traten vor Cor Keto, der die kleine Prozession eher mit Langeweile betrachtete.
    »Du hast dir Zeit gelassen, Hexe.« Rauchwölkchen traten aus seinen Nüstern.
    Medana verneigte sich, bemüht, dabei Haltung zu bewahren. »Ich habe die letzten Utensilien für die Beschwörung zusammensuchen müssen, jetzt aber haben wir alles, um uns mit Sennus Nachtschatten in Verbindung zu setzen und uns mit ihm zusammenzutun.«
    »Gut«, der Monarch nickte, »dann sollten wir keine weitere Zeit verlieren. Schon viel zu lange musste ich darauf warten, aber heute ist es endlich so weit! Ich werde frei sein, frei und ungebunden, und ich werde jeden Ort betreten können, zu dem ich will!«
    Etwas irritierte Mina. Sie schaute sich in dem Audienzsaal weiter um, so weit es die begrenzte Sicht erlaubte. Dann fiel es ihr auf: Aus einem unbestimmten Grund hatte sie erwartet, dass Ignis mit Medana eintreten würde, doch sie war nicht da.
    Nirvan stieß sie leicht an der Schulter an. Als sie ihn anschaute, wies er durch die Wand in Richtung des Steinbrunnens. Sie wunderte sich, schaute dann aber wieder durch das Loch. Anscheinend hatte er ihre Gedanken erraten, denn da stand sie: Ignis. Mit verschränkten Armen blickte sie den Brunnenschacht hinab. Was sie dort zu sehen glaubte, wusste Mina nicht, aber sie kam noch immer nicht darüber hinweg, dass die rothaarige, pupillenlose Frau, die viel älter als Janice aussah, einst ihre beste Freundin gewesen sein sollte. Ihr wurde schwer ums Herz.
    »Ignis, komm schon her!« Medana winkte sie heran. Unwillig setzte sie sich in Bewegung. Vor dem Thron angekommen, zog sie einen blutverschmierten Lappen aus dem Gürtel.
    Kaum hörbar flüsterte Mina: »Wann, Nirvan, wann greifen wir ein?« Schockiert schaute Nirvan sie an. »Pst!« Beide hatten die Worte nur gehaucht, dennoch verharrte Ignis abrupt in der Bewegung. Mina spürte das und blickte erneut durch den Sehschlitz. Gedanklich sah sie die rothaarige Hexe bereits schreiend auf die Wand zu rennen, aber das geschah nicht. Ignis schaute zwar in ihre

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