Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Drachenanhänger – der Drache, der unverändert mit eisigem Blick und gespreizten Flügeln alles im Auge behielt.
Sie trat zum Lagerfeuer und setzte sich Nirvan gegenüber. Er blickte sie nicht an. Nach einigen Minuten des Schweigens ergriff er einen Stock und stocherte in der Glut herum. Mina musterte ihn. Was stimmte nicht mit ihm? Er benahm sich unnahbar, aber war er das auch? Vielleicht war sein Verhalten eine Schutzmaßnahme, eine Maske, damit niemand erkannte, wie er sich wirklich fühlte. Mina kannte sich als Waisenkind mit solchen Vorsichtsmaßnahmen gut aus. »Vielleicht sollten wir Frieden schließen«, sagte sie leise.
Er hob seinen Kopf. »Frieden? Hatten wir denn Krieg?« Mina blickte ihn verwundert an. ` Was für ein ungehobelter Klotz´ , dachte sie missmutig, doch so schnell wollte sie nicht aufgeben.
»Du hättest mich nicht gegen meinen Willen hierherholen dürfen«, erwiderte sie im gleichen, leisen Tonfall.
»Ich weiß nicht«, antwortete er, »als du da zu meinen Füßen an einer alten Baumwurzel hingst, sahst du nicht so aus, als hättest du dort bleiben wollen.«
Langsam verdüsterte sich Minas Gesicht. »So«, zischte sie gereizt. »Du meinst also, dass du mir einen Gefallen getan hast? Hast du mich nicht erst in diese lebensgefährliche Situation gebracht? Warst du es nicht, der meine natürliche Umgebung so radikal verändert hat, dass sich eine mächtige Schlucht zu meinen Füßen geöffnet hat? Du hättest mich fast umgebracht und scheinst dabei nicht einmal ein schlechtes Gewissen zu haben!«
Nirvan zuckte mit den Schultern, als ginge ihn das nichts an. »Ich hatte keine andere Wahl.«
Mina sog laut die Luft ein. »Wie meinst du das?«
Er legte den Stock zur Seite, sein Blick wurde hart. Auf gewisse Weise bereute es Mina, dass sie ein Gespräch mit ihm gesucht hatte. Er machte ihr Angst.
»Ich bin ein ganz passabler Magier, Mina. Viele Mächte beugen sich meinem Willen, aber allmächtig bin ich noch lange nicht. Das, was die Drachentochter von mir erbeten hat, ging an die Grenzen meiner Fähigkeiten. Ein Weltentor in eine andere Dimension zu öffnen ist wirklich kein Kinderspiel.«
Mina schüttelte den Kopf. »Das ist etwas, was ich nicht verstehe. Warum wollte eure Drachentochter so etwas? Ich meine, ich kenne sie nicht einmal, und sie hat dennoch alles unternommen, um mich nach Dra'Ira bringen zu lassen. Was will sie von mir?«
Nirvan zuckte erneut mit den Schultern. »Das weiß ich nicht, und offen gestanden ist es mir auch gleich. Ich weiß nur, dass mich die Aufgabe fast mein Leben gekostet hätte.«
»Wieso?«
»Wie gesagt. Mich hat der Zauber an die Grenzen meiner Macht getrieben, und von dort bis zum ewigen Ende ist es nur noch ein Katzensprung. Es gab einen Zeitpunkt, da dachte ich, dass ich sterben würde. Die Macht, die zwischen den Welten schlummert, mag keine Einmischung. Wenn man gewisse Grenzen überschreitet, muss man um seinen Verstand oder um sein Leben fürchten. Trotzdem habe ich die Elemente der Zeit und des Raumes gebogen und dich hergebracht.« Er grinste humorlos. »Ich war stärker als die Macht, die zwischen den Welten regiert, was will man mehr?«
Eine unangenehme Kälte kroch Minas Genick hinauf. Die Art und Weise, wie Nirvan von Macht und seinen Fähigkeiten sprach, flößte ihr Furcht ein. Und er war offenkundig stolz auf seine Kräfte. »Ja, ich bin hier, warum auch immer. Gut, du hast also dein Leben eingesetzt, um mich zu holen, aber all das nur, weil eure Regentin mich sehen will? Ich bin nur ein ganz normaler Teenager, nicht mehr und nicht weniger.«
»Das sage ich doch«, sprach Nirvan desinteressiert ins Feuer. Kurz darauf kniff er die Augenlider zusammen. » Teenager . Das ist ein komisches Wort, aber ich habe es schon gehört. Seit Wochen schicke ich meinen Geist in deine Welt, um deren Gepflogenheiten und Spielregeln zu erlernen. Ganz nebenbei musste ich natürlich auch dich finden. Ich wusste ja nicht, wo ich dich aufhieltest.«
»Du kannst deinen Geist ohne deinen Körper in meine Welt schicken?«, fragte sie atemlos.
Der junge Magier nickte. »Das ist viel einfacher, als man glaubt, und es ist bei Weitem nicht so gefährlich, wie selbst zu reisen.«
»In meiner Welt leben über sieben Milliarden Menschen, wie konntest du mich da finden?«
Nirvan schmunzelte. Da war er wieder, der fast sympathisch wirkende junge Mann von nebenan. Mina erkannte in seinem Gesicht einen Anflug von Stolz. »Dass in deiner Welt unvorstellbar viele
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