Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Hand über die Schläfe, als ob er etwas vertreiben wollte, was sich dort festgesetzt hatte. »Und um deine Frage zu beantworten: Ich konnte meinen Zauber dort nicht wirken, denn dafür reicht meine Kraft nicht aus. Zumindest nicht für den Zauber, der mich sicher in eine andere Welt und zurück geleiten sollte. Hier, im Land der Schlafenden, gibt es einen verborgenen Altar der Göttin Gaia. Er liegt nur wenige Meter von einer Klippe entfernt, die den Namen `Steilhang des Lichts´ trägt. Ich hörte, dass der Altar eine Macht in sich birgt, die unsere Vorstellungen überschreitet. Und dass das kein Gerücht ist, habe ich mit meiner kleinen Expedition in deine Welt feststellen können. Ohne die in dem Altar ruhende Kraft hätte ich es wohl nicht geschafft.«
»Ihr habt es hier wirklich sehr mit euren Göttern«, sagte Mina abfällig.
Nirvan ignorierte den Unterton. »Der Altar soll angeblich von Gaia selbst gesegnet worden sein. Aber egal, aus was er seine Energie bezieht, er ist so mächtig, dass man ihn als festen Ankerpunkt für den Übergang in eine andere Dimension nutzen kann. Ohne ihn wären meine Kräfte in der Ewigkeit vergangen und ich hätte niemals einen gefestigten Durchgang zwischen unseren Welten herstellen können. Ich erwarte nicht, dass du das verstehst, aber es sollte dir genügen, dass ich keine andere Wahl hatte, als hierher zu reisen, um dem Wunsch unserer Regentin zu entsprechen. Kein anderer mir bekannter Ort verfügt über eine solche Macht.«
Mina blies ihre Wangen auf und ließ die Luft laut entweichen. »Und was sind das für Flugtiere? Ich hoffe, ihr habt keine monströsen Schwalben gezüchtet, auf deren Rücken wir gen Nordwesten fliegen müssen?«
»Das wirst du noch sehen. Auch wenn ich kein Freund des Fliegens bin, ist es doch die sicherste und schnellste Methode, von einem Ende der bekannten Welt zum anderen zu gelangen. Am Rande von Furca werden wir zu einem Ausflug in die Lüfte erwartet werden.«
»Wir werden wirklich fliegen?«
Für einen Moment kam es Mina vor, als ob Nirvan einen gehässigen Zug um seine Mundwinkel aufblitzen ließ. »Oh ja! Auf einem hochliegenden Plateau in der Nähe der Waldkoboldsiedlung, in der dieser grüne Tunichtgut …«, er wies mit dem Kopf zu dem schnarchenden Nexus, »… groß geworden ist, treffen wir die Leibgarde der Regentin und ihre Flugtiere. Dann geht es nach Tempelburg.« Mina stöhnte vernehmlich auf. Nirvan schloss die Augen. »Genug geredet, geh nun wieder schlafen. Morgen musst du ausgeruht sein, denn ich werde keine Rücksicht auf dich nehmen.«
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Kapitel 3: Düstersteinkobolde
Gut zwanzig Kobolde standen so eng in dem viel zu kleinen Raum beieinander, dass sie sich gegenseitig auf die Füße traten. Das flackernde Licht heruntergebrannter Kerzen ließ die Konturen von etwas, das wie ein Haufen Lumpen aussah, hervortreten. Um die Lumpen herum war ein Kreis aus roter Farbe auf dem Boden gemalt, ansonsten lag alles in Dunkelheit. Unzufriedenes Gemurmel kam auf. Mit jeder verstreichenden Minute wurden die Kobolde unruhiger.
»Ruhe!«, krächzte eine rau klingende Stimme. Abrupt verstummte jedes Geplapper. In den scheinbaren Lumpenhaufen kam Bewegung. Er entpuppte sich als eine Frau, die nun den Blick hob, sodass das schwache Kerzenlicht auf ihr Gesicht fiel. Sie war alt, sehr alt. Ihre graugrüne Gesichtshaut hatte mehr Falten als ihr überweit geschnittener Umhang, der eher einem Sack ähnelte und ihren ganzen Körper verbarg. Fettige, grauweiße Haarsträhnen hingen ihr über die dunklen Augen, wodurch sie nur schemenhaft erkennbar waren. Um ihren Hals trug sie eine Kette, von der längliche Stäbchen herabhingen. Erst beim näheren Hinsehen offenbarte sich, dass es sich dabei um getrocknete Finger handelte: Finger von Kobolden, die Medana, der mächtigsten Koboldschamanin der Düstersteinkobolde, in die Quere gekommen waren.
Alle anwesenden Düstersteinkobolde kannten die Schamanin, zumindest aus den Geschichten ihrer Eltern und Großeltern. Schon damals war Medana uralt und von verdorrter Erscheinung gewesen, dennoch wagte niemand zu fragen, wieso sie überhaupt noch lebte. Es gab eben Dinge, die lieber nicht hinterfragt werden sollten – zumindest nicht, wenn man alle Finger behalten wollte. So wirkte die alte Koboldfrau selbst auf hartgesottene Düstersteinkobolde unheimlich. Angst und Bewunderung verbanden sie schon seit Generationen mit dem alten Weib, denn wenn ein Kobold sich auf etwas verlassen konnte,
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