Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Mina deuten konnten. Es war eine Mischung aus Unwohlsein, Verwunderung und Hoffnung, doch bevor Mina die Mimik auslegen konnte, verneigte er sich und verließ den Saal mit einem Großteil seiner Männer. Er brummte ihnen Befehle zu, und die Hälfte der Männer rannten fort. Die anderen teilte er auf, um weitere Krieger zu ordern, die den Leichnam von Cor Keto beseitigten, die Sicherheitsmaßnahmen für Sennus Nachtschatten verstärkten und dafür sorgten, dass die neue Drachentochter eine Leibgarde bekam, die für ihr sicheres Geleit aus der Stadt und dem dunklen Kontinent sorgten sollte, bis sie wieder in ihren vertrauten Mauern in Tempelburg war.
»Oh je, das wird den Greifenreitern aber nicht gefallen«, sagte Nirvan leise in Minas Richtung.
»Orks und Gestalten der Nacht in Tempelburg? Das wird vielen nicht gefallen«, erwiderte Mina. »Aber du kannst mir wirklich glauben, dass es die einzige Möglichkeit ist, eine sichere Zukunft für alle zu gewährleisten. Dra'Iras Bewohner müssen ihre Vorurteile aus der Vergangenheit fallen lassen.«
Nirvan sah nicht glücklich aus, stimmte ihr aber zu. Er musste an eine alte Prophezeiung denken: ` Das dreizehnte Kind wird den Ursprung seines Blutes suchen und das Schicksal aller finden. Die Wahl des Kindes entscheidet über Frieden und Veränderung. Wählt es falsch, kommt die Finsternis. Wo Hass einst die Basis schuf, kann Mitleid die Grundmauern erschüttern. ´
War es nicht das gewesen, worauf alle Propheten , Runenleger und Sternendeuter in Dra'Ira über Jahrhunderte gewartet hatten? Und erfüllte Mina die Prophezeiung nicht in jedem Punkt? Nirvan war sich sicher, dass es nicht einfach werden würde, aber Mina hatte die Möglichkeiten, Dra'Ira tatsächlich zu wandeln. Das, was sie heute hier erreicht hatte, bewies das ohne jeden Zweifel.
Unvermittelt fiel ein helles Licht durch die zerborstene Deckenkuppel hinab auf die Trümmer des Saals. Erschrocken zuckte Nirvan zusammen und schob Mina beschützend hinter sich. Was kam als nächstes? Das Licht wurde intensiver, blendend, und sank langsam nieder. Nirvan bereitete bereits einen Abwehrzauber vor, da legte Lyonel seine kleine Hand auf die seine. »Das musst du nicht tun, Nirvan.«
»Was?« Nirvan wollte die Hand des Jungen abschütteln, aber sie schien unendlich schwer.
»Es besteht keine Gefahr für euch«, erklärte der Junge. Das Licht sank in einer schimmernden Sphäre zu Boden, und als sie ihn berührte, zerplatzte sie wie eine Seifenblase. Das Licht wurde noch heller, so, dass alle sich abwenden mussten, dann war es verschwunden.
Nirvan konnte nichts Ungewöhnliches sehen. Mina drehte sich zu ihm, wollte was sagen, da sah sie plötzlich im Augenwinkel eine Frau stehen, die vorher nicht da gewesen war: eine filigrane Gestalt mit kurzen, blonden Locken und sehr schlichten Leinenkleidern. Als Mina direkt in ihre Richtung blickte, war sie wieder verschwunden.
»Wer ist das?«, fragte sie Nirvan, der schwer atmend versuchte, den Vorgang zu begreifen.
»Ich weiß nicht, wen du meinst!« Er klang gereizt. Ständig kniff er die Augen zusammen und versuchte etwas auszumachen – etwas, das nicht da war.
Lyonel ging dort hin, wo Mina die Frau vermutete. Sie drehte nochmals den Kopf, und immer, wenn die Stelle gerade aus ihrem Sichtfeld gleiten wollte, erkannte sie erneut schemenhaft die Umrisse der Fremden.
Er näherte sich erst sehr zaghaft, dann aber fing er an zu weinen und gleichzeitig zu lachen. »Du bist gekommen! Du bist wirklich gekommen!«, rief er voller Freude. Die Fremde schenkte Lyonel ein sanftes Lächeln und streckte eine Hand in seine Richtung, ohne ihm entgegenzugehen, aber etwas in ihren Augen munterte ihn auf, zu ihr zu laufen. Lyonel war sichtlich hin- und hergerissen, doch dann lief er los. Die Arme hielt er weit ausgebreitet, dann fiel er der Frau um den Hals.
Mina schaute wieder direkt hin, doch nun war auch Lyonel verschwunden. Eine Welle von Emotionen erfüllte den ganzen Saal und brachte Mina dazu, sich gleichzeitig verzweifelt und glücklich zu fühlen. Nirvan schien es genauso zu ergehen. Aufgeregt blinzelte er, schüttelte sich und starrte zu Mina. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, was hier gerade geschieht«, knurrte er.
Mina versuchte sich zu sammeln. »Ich ahne es, aber ich weiß nicht, was es für uns bedeutet.«
Ein helles Kinderlachen ertönte. Es war Lyonel, der so erleichtert klang, wie Mina es bei ihm noch nicht erlebt hatte. »Mina, ich erinnere mich! Ich erinnere
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