Erbe des Drachenblutes (German Edition)
»Endlich«, hauchte sie so leise, dass es keiner vernahm. Sie schaute zu Zados. »Wieso hat er hier eigentlich das Sagen?« Sie wies dabei mit dem Kopf zu Nirvan.
Zados schmunzelte nachsichtig. »Weil die Drachentochter es so angeordnet hat. Es ist im Grunde eine Bewährungsprobe für ihn, und wir sind nur seine Begleiter.«
»Bewährungsprobe?«, wiederholte sie neugierig, doch der Elb ging nicht weiter darauf ein. »Wie lange werden wir unterwegs sein, bis wir Furca verlassen haben, Zados?«, fragte sie, als sie sicher war, dass er die erste Frage nicht beantworten würde.
»Eigentlich vier Wochen. Aber es kann sein, dass wir länger brauchen, weil du das Wandern nicht gewöhnt bist und wir daher langsamer vorankommen.«
Ihre Wangen verfärbten sich. »Vier Wochen? Und ... und wie weit ist es dann noch nach Tempelburg?«
»Zu Fuß bräuchten wir von hier aus gute dreieinhalb Monate, aber wir werden den Großteil unserer Reise nicht zu Fuß zurücklegen müssen. Wir treffen uns in der Nähe der Steppenregion Londiin mit Verbündeten. Sie werden uns schneller voran bringen. Das Land ist auch nicht sicher genug, um mit dir ohne Risiko hindurchzuwandern. Wir könnten jederzeit überfallen werden. Es gibt immer ein paar Abtrünnige, die der Meinung sind, sich ihr tägliches Brot mit Verbrechen beschaffen zu müssen.« Der Elb blickte auf Minas Füße. »Dass wir nicht die ganze Strecke laufen werden, ist auch sicherlich besser für dich und deine Gesundheit.«
»Halte mich nicht für verweichlicht, nur weil ich ein wohlbehütetes Leben geführt habe«, fuhr sie ihn an. Er hob eine Augenbraue. Mina zögerte. »Na ja, vielleicht bin ich ein klein wenig verweichlicht, aber das heißt nicht, dass ich den Fußmarsch nicht schaffe«, brummte sie hinterher.
Zados wartete einen Herzschlag, dann gab er ein glockenhelles Lachen von sich. »Mina, du bist schon ein besonderer Mensch. Ich sehe dir doch an, wie sehr du dich jetzt schon quälst. Und anstatt dass du dazu stehst, tust du lieber so, als ob dich das unbekümmert lässt. Wahrlich amüsant!«
»Wahrlich amüsant!«, äffte Mina ihn nach. Schmollend schaute sie zu Boden. Zados’ Lachen verebbte, doch seine Augen lächelten weiter.
v v v v v
Die nächsten Tage verstrichen so schnell, dass sich Mina im Nachhinein nur schemenhaft an sie erinnern konnte. Sie bestanden nur aus strammen Fußmärschen, unterbrochen durch regelmäßige Vorwürfe Nirvans, dass Mina dem wahren Leben nicht gewachsen sei, und kleinen Neckereien der beiden Freunde Zados und Nexus, die eifrig versuchten, Mina ihre Umgebung näher zu bringen. Jeden Morgen sehnte sie sich nach dem Abend, damit sie niedersinken und schnell einschlafen konnte. Meistens verpasste sie sogar das Abendessen, doch Nexus wärmte es gerne wieder auf, wenn sie später vor Hunger wach wurde.
`Erschöpfung, die totale Erschöpfung´ , waren die einzigen Gedanken, die Mina in jener Zeit im Kopf herumgeisterten. Fragen über die weiße Regentin und ihre Absichten hatten einfach keinen Platz mehr. Stattdessen fragte sie sich, wie es möglich war, dass ein Mensch so zerrende Schmerzen an so vielen unterschiedlichen Körperstellen aushalten konnte. Füße, Beine, Rücken, Schultern, Arme und sogar das Genick taten ihr weh. Ihr ganzer Körper schien nur noch aus Muskelkater zu bestehen. Richtig schlimm wurde es allerdings erst, als Zados entschied, sie im Umgang mit dem Dolch und mit Pfeil und Bogen zu unterrichten. »Ob Bauersfrau oder Edeltochter, jede sollte wissen, wie sie sich in der Not verteidigen kann«, sagte er zu ihr und setzte ein strenges Trainingsprogramm an.
Als Mina schon nicht mehr damit rechnete, kam der Tag, an dem sie feststellte, dass sie die Anstrengungen besser bewältigte. Sie schaffte es, mit Nirvan Schritt zu halten und erhielt von Zados ein anerkennendes Nicken für ihre Fortschritte bei den Kampfübungen. Von nun an wurde es leichter, und sie begann wieder, über ihre mehr als ungewöhnliche Situation zu sinnieren.
Als sie an einem der folgenden Tage wieder eine Pause einlegten. konnte Mina sich entspannt zurücklehnen und die gute Waldluft genießen. Die mittägliche Sonne glitzerte durch das Blättermeer über ihren Köpfen. In solchen Momenten schloss sie die Augen und ließ ihre Gedanken treiben. Dra'Ira war eine Zauberwelt, voller Wunder, merkwürdiger Kreaturen und vielfältigen Völkern. Nun ja, gesehen hatte sie all das noch nicht. Bis jetzt schöpfte sie ihr Wissen nur aus den Erzählungen
Weitere Kostenlose Bücher