Erbe des Drachenblutes (German Edition)
ihnen offenbar nicht, da der göttliche Schutzschild die fliegenden Reittiere der Drachentochter behinderte. Nexus hatte auch erzählt, dass die über Furca befindliche Schutzkuppel die zweitgrößte in Dra'Ira war; die größte befand sich über dem dunklen Kontinent.
Mina begriff, dass Nirvan nicht daran dachte, ihre Frage zu beantworten. `Tempelburg, wie mag die Stadt wohl aussehen?´ Was hatten die anderen ihr erzählt? Es sei eine Stadt, die seit Generationen der jeweils regierenden Drachentochter und dem Völkerrat Obdach bot. Die Anhänger der allerersten Drachentochter hatten einst den Palast errichtet, und mit der Zeit war drum herum die pulsierende Metropole entstanden, die den Stolz von ganz Dra'Ira darstellte. Im Lauf der Jahrhunderte war sie zu einem Dreh- und Angelpunkt in der Geschichte der jungen Völker geworden. Denn sie rühmte sich, die einzige Stadt zu sein, in der alle Völker friedvoll miteinander lebten, gleich welcher Rasse oder Herkunft. Hier gab es keine Fehden oder Streitereien. Wer bleiben wollte, musste sich den Gesetzen der Drachentochter unterwerfen und die Differenzen zwischen den einzelnen Rassen vergessen.
Sie schaute zu Zados. Der Elb schritt lautlos neben ihr. »Zados, erzählst du mir mehr von dem Völkerrat?«, bat sie.
Er hob eine Augenbraue, stimmte dann aber zu. »Die Drachentochter«, begann er, »kann trotz ihrer Stellung keine wesentlichen Beschlüsse ohne den Völkerrat treffen. Beide können nur gemeinsam die Entscheidungsgewalt in unserem Reich ausüben. So war es seit dem ersten Tag, und es hat sich bewährt.«
»Was heißt das: Es hat sich bewährt?«
»Durch die Teilung der Macht ist der Frieden zwischen den jungen Völkern garantiert, denn in dem Völkerrat sind so viele unterschiedliche Rassen vertreten, dass jede Gemeinschaft – gleich wie ungewöhnlich oder andersartig sie sein mag – dort einen Fürsprecher findet. Niemand kann sagen, dass die Menschen von der Drachentochter bevorteilt werden, und das sichert die Zufriedenheit aller.«
Mina versuchte es zu verstehen. »Aber auch der Rat der Völker muss doch irgendwie gelenkt werden, oder?«
»Sicher. Als Sprachrohr des Völkerrates steht seit den letzten drei Jahrzehnten ein Mann im Vordergrund: Salvatorus. Er wird oft nur `der Sanfte´ genannt, er ist ein umsichtiger Mann. Er wurde von den Ratsmitgliedern gewählt, und er steht der Drachentochter als oberster Berater zur Seite. Wegen seiner Güte ist er sehr beliebt, und die Ratsmitglieder loben ihn für seine Weitsicht, die er täglich zeigt.«
»Ist er ein Elb?« Zados schmunzelte schelmisch. »Nein, er ist ein Mensch, Mina.«
»Also, wenn ich es richtig verstanden habe, dann kann jedes Volk, das sich für einen friedvollen Weg entschieden hat, einen Sprecher in den Rat entsenden?«
Zados neigte andächtig seinen Kopf, eine zustimmende Geste. »Ja. Der Sprecher bleibt für die Zeit seiner Berufung in der Hauptstadt. Er lebt dort, bis ein anderer Sprecher gewählt wird und ihn ablöst.«
»Aber kann das funktionieren?«, fragte sie mit einem zweifelnden Unterton. »Wenn jeder einen Sprecher entsendet, dann muss es in dem Völkerrat ja wie auf einem Basar zugehen.«
»Probleme gibt es, aber wir versuchen Lösungen zu finden. Der Rat besteht bewusst aus den vielen unterschiedlichen aber intelligenten Rassen unseres Reichs. So gibt es Felsenzwerge, Eichenreiter, Wüstenkobolde, Murner, Zermalmer und viele weitere. Auch wir Elben bestehen aus drei Hauptgruppierungen. Wenn jeder von uns einen Abgesandten in den Rat entsenden würde, könnte mein Volk dann mit einer Stimme sprechen? Nein, deshalb gilt bei uns Elben die Regel, dass die drei Elbenfürsten alle fünfzig Jahre einen neuen Vertreter berufen können, der für uns alle vor den Völkerrat tritt und für uns einsteht. Jener kann natürlich weitere Sprecher mitnehmen, wenn er es wünscht. Kein Volk muss nur einen Vertreter vor Ort haben, doch am Ende gilt nur eine Stimme pro Volk.«
Mina stolperte über einen moosbedeckten Stein, fing sich wieder und eilte erneut an die Zados´ Seite. Er wurde langsamer und achtete darauf, dass Mina sich nicht zu sehr verausgabte. Sie schenkte ihm einen Blick, der `es geht schon wieder´ ausdrückte, dann besann sie sich auf ihr Gespräch. »Ein Sprecher für alle … Wie heißt der jetzige Elbensprecher? Nexus hatte es mir gesagt, aber ich habe den Namen wieder vergessen.«
»Seit den letzten zehn Jahren vertritt uns der Gelehrte Xsanthani. Er und seine
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