Erben der Macht
hinzunehmen. Es musste doch noch eine Möglichkeit geben. Irgendeine, bei Kallas Blut!
„Gibt es jemanden, der die Macht hat, sie zu retten?“ Er blickte Warren und Nalin eindringlich an.
Nalin schüttelte den Kopf. „Nicht, dass ich wüsste.“
„Es hängt nicht von der Macht ab“, korrigierte Warren, „sondern von der Machbarkeit. Selbst der Macht und den Fähigkeiten von Göttern sind Grenzen gesetzt.“
Gressyl starrte auf den dunklen Spiegel, dann auf Bronwyn und wieder zurück. Sie war die Einzige, die den Spiegel aktivieren konnte. Aber musste sie dazu bei Bewusstsein sein? Oder überhaupt ein Bewusstsein haben?
Er hob ihren schlaffen Körper auf die Arme und trug ihn zu dem Spiegel. Mit einem Arm hielt er sie fest, mit dem anderen legte er ihre Hand auf den Spiegel, ohne ihn selbst zu berühren. Dann ließ er seine magischen Kräfte durch ihren Körper fließen und initiierte den Spiegelzauber mit der Vorgabe, die Geschehnisse ab dem Moment zu zeigen, an dem die letzte Darstellung abgebrochen war.
Er fühlte, wie die Magie des Spiegels durch Bronwyns Körper fuhr, etwas suchte und fand – aber nicht in Bronwyns Körper, sondern in Gressyls Geist. Ihn und sie verband etwas, das ihm bereits ermöglicht hatte, sie in Indien zu finden, obwohl sie sich abgeschirmt hatte und zu dem Zeitpunkt zusätzlich von dem magischen Schild eines Nagas umgeben gewesen war. Genau dieser geistige Teil von Bronwyn, von dem er immer noch nicht wusste, woher er rührte, wurde von dem Spiegel akzeptiert. Er wurde hell, waberte milchig und zeigte schließlich dasselbe Szenario wie zuletzt. Mit dem Unterschied, dass Marlandra und Maruyandru im Gras lagen.
Gressyl trug Bronwyn wieder zum Diwan und bettete sie in Devlins schlaffe Arme. Danach setzte er sich in seinen Sessel und starrte auf den Spiegel.
„So weit, so gut“, kommentierte Nalin. „Das löst aber noch nicht das zweite Problem.“
„Das lass meine Sorge sein“, knurrte Gressyl.
Er war schließlich ein reinblütiger Dämon und seine magische Macht war entsprechend groß. Auch wenn es unzählige Dämonen in der Unterwelt und auch einige in dieser Welt gab, die seine Kräfte bei Weitem übertrafen, stand ihm immer noch eine Option zur Verfügung: Er konnte jeden Zauber mit seiner Lebenskraft verstärken. Wenn es hart auf hart kam, würde er genau das tun. Bis dahin musste er einen Weg gefunden haben, Warren die Zeit zu verschaffen, die er brauchte, um Marlandras und Marus Seelen aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurückzuholen.
4.
Py’ashk’hu-Residenz am Ufer des Michigansees, 985 v. Chr.
M arlandra schlug die Augen auf und blinzelte gegen die Sonne, die ihr ins Gesicht schien. Der Duft von Maruyandrus Haar stieg ihr in die Nase, das nach Blumen, Sonne und dem Rauch des Zedernholzfeuers roch, um das sie vorhin getanzt waren. Sie fühlte die Wärme seines Gesichtes an ihrer Wange und die samtige Berührung seiner Lippen, als er ihre Schläfe küsste. Sie lächelte und seufzte wohlig. Drehte den Kopf und sah ihn an. In seinen grünen Augen, die ihren so ähnlich waren, entdeckte sie eine Liebe, die sie glücklich machte. Sie drehte sich zur Seite, legte die Arme um ihn und küsste ihn. Freute sich, wie innig er den Kuss erwiderte , und spürte seine Gefühle durch das Seelenband, mit dem sie beide verbunden waren.
„Ich würde dir noch mal sagen, wie sehr ich dich liebe, Marla, aber das weißt du ja schon.“
Sie lächelte. „Sag es mir trotzdem.“
„Ich liebe dich so sehr – wie die Erde, auf der wir liegen.“
Sie fuhr hoch. „Was? Du liebst mich nicht mehr als diesen Dreck?“ Sie schlug nach ihm.
Er legte die Arme um sie, rollte sich lachend herum und zog sie mit sich, sodass sie übereinander und untereinander über die Wiese rollten, bis sie im hohen Gras liegenblieben, er über ihr. Er strich ihr mit einem Finger das Haar aus dem Gesicht, streichelte ihre Wange und küsste ihre Nasenspitze, ehe er ihren Mund küsste. Sanft wie die Berührung eines Schmetterlingsflügels. Süß wie Honig und wärmend wie ein Nachtfeuer. Marlandra genoss den Kuss ebenso wie die Berührung seines Körpers und die Liebe, die sie von ihm fühlte und die sie für ihn empfand.
„Maru, ich hatte einen seltsamen Traum, als ich vorhin eingeschlafen bin. Wir beide waren in einer Welt, in der alles ganz anders aussah als hier. Wir haben völlig andere Kleidung getragen. Und wir waren in einem Raum, der voll von Gegenständen war, die ich noch nie
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