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Erben der Macht

Erben der Macht

Titel: Erben der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Laue
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sich, um sie zu ihren treuen Gefolgsleuten zu erziehen. Da viele von ihnen die magische Macht und die Brutalität ihrer Geisterväter geerbt hatten, waren sie an den Feuern der Bodéwadmi sowieso nicht willkommen.
    „Kleiner Berg hat recht“, sagte Adlermann mühsam. Sein Alter hatte seinen Körper schon so sehr geschwächt, dass er kaum noch aus eigener Kraft gehen konnte. Aber sein Geist war noch klar und sein Verstand scharf. Er wurde bald zu den Ahnen gehen. „Wir können nicht in ihr Lager gelangen, weil ihr Zauber uns nicht hineinlässt. Also müssen wir einen von den Schwarzen Geistern herauslocken. Und es muss bald geschehen. Die Kraft verlässt meinen Körper immer mehr. Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen wir handeln, bevor der Mond voll ist.“
    Was in drei Nächten der Fall sein würde. Der Plan, den Kleiner Berg und Adlermann sich ausgedacht hatten, war verrückt; schon deshalb, weil niemand glaubte, dass ihnen gelingen könnte, was sie vorhatten. Kein Mensch hatte so etwas jemals zuvor versucht. Unter anderem deshalb nicht, weil es gegen die Natur war – gegen alles, was gut war. Aber so, wie man Feuer am besten mit Feuer bekämpft, blieb ihnen keine andere Möglichkeit als zu versuchen, was noch niemand zuvor versucht hatte.
    „Wenn es den Manitus nicht gefällt, werden wir scheitern“, betonte Kleiner Berg. „Scheitern wir nicht, haben wir ihren Segen.“
    Wieder schwiegen die Anwesenden lange Zeit und durchdachten den Plan, wogen stumm das Für und Wider ab. Schließlich signalisierte einer nach dem anderen seine Zustimmung.
    „Wie locken wir einen Schwarzen Geist in die Falle?“, fragte Fuchs Der Im Mondlicht Tanzt.
    „Meine Schwester Sternenlied wird sich dem Nächsten anbieten, der ins Lager kommt auf der Suche nach einer Frau“, antwortete Kleiner Berg. „Während er mit ihr beschäftigt ist, ist er genug abgelenkt, dass er die Falle erst bemerkt, wenn es zu spät ist.“
    Sternenlied war sich bewusst, dass sie das möglicherweise nicht überleben würde. Aber sie hatte Aussicht auf Erfolg, denn einer der Schwarzen Geister hatte bereits bei seinem letzten Überfall ein Auge auf sie geworfen. Da er regelmäßig kam, würde er wahrscheinlich morgen wieder auftauchen.
    Fuchs Der Im Mondlicht Tanzt ballte die Faust. „Es ist eine Schande“, stellte er fest.
    „Und darum müssen wir ihnen endlich Einhalt gebieten“, bekräftigte Adlermann. Er hob vor Schwäche zitternd die Hand und führte sie nach unten. „Es ist beschlossen. Seid morgen bereit. Wenn die Nacht anbricht, werden wir handeln.“
    Die Schamanen verließen der Reihe nach das Zelt. Nur Kleiner Berg und Adlermann blieben zurück. Kleiner Berg hielt ihm eine Rindenschale mit frischem Wasser an den Mund. Der alte Mann trank und ließ sich wieder auf das Lager aus Moos und weichen Fellen zurücksinken.
    Kleiner Berg blickte ihn nachdenklich an. „Tun wir wirklich das Richtige, Großvater? Dürfen wir tun, was gegen die Natur ist, um unser Volk zu retten?“ Er hatte sich diese Frage schon so oft gestellt und sie am Ende immer mit Ja beantwortet. Aber die Zweifel waren geblieben.
    Der alte Mann seufzte. Kleiner Berg wusste, dass sich auch sein Großvater das immer wieder gefragt hatte. Trotzdem dachte er erneut lange darüber nach, ehe er antwortete. „Ich weiß es nicht, Tochtersohn. Was ist besser: mit einem kleinen Feuer, das ein bisschen mehr Wald verbrennt, das große Feuer aufhalten, das sonst den ganzen Wald verbrennen würde, oder dem großen Feuer gestatten, den Wald zu zerstören und dem Neuen Raum gegeben, das die verbrannte Erde braucht, um überhaupt wachsen zu können?“
    Auch Kleiner Berg dachte eine Weile nach, bevor er antwortete. Schnelle Antworten ohne nachzudenken zeugten von einem Mangel an Weisheit, der eines Kriegers und erst recht eines Schamanen unwürdig war. „Kann aus dem Bösen, das die Schwarzen Geister über uns bringen werden, wenn wir zulassen, dass sie noch mehr von ihnen zu uns holen, überhaupt etwas Gutes entstehen, Großvater?“
    „Etwas anderes würde entstehen, Kleiner Berg. Ob es gut ist oder nicht, können wir nicht beurteilen. Die Welt, wie sie ist, würde es nicht mehr geben. Es käme eine neue Ordnung. Ob gut oder böse, das werden die beurteilen, die mit ihr leben müssen.“ Der alte Mann seufzte. „Auch wenn ein ganzer Wald durch ein Feuer vernichtet wird und viele Tiere und vielleicht auch Menschen in dem Feuer verbrennen, so gibt es immer genug, die überleben werden

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