Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
Geschenk der Unsterblichkeit, damit ich für immer mit ihm zusammen sein konnte. Und so«, fügte sie seufzend hinzu, »bin ich. Nicht mehr am Leben, aber auch nicht wirklich tot. Nicht einmal jetzt.«
»Wie konnten die anderen Euch dann zerstören? Und warum? Niemand redet darüber.« Ty wusste, dass dies nicht länger ein Traum war. Er wollte unbedingt die Antworten bekommen, die nur Lilith ihm geben konnte.
Lilith machte eine elegant abwehrende Geste. »Eifersüchteleien. Gier nach Macht und Kontrolle. Angst vor meinem gefallenen Liebsten, Seth, obwohl er nie jemandem etwas zuleide getan hat. Damals habe ich meine Feinde unterschätzt, wie das auch so viele andere in den Jahren danach getan haben. Immerhin war ich vorausschauend genug, etwas aus der Vergangenheit herüberzuretten. Egal zu welchem Preis.«
»Dann habt Ihr also von diesem Seth ein Kind bekommen«, sagte Ty. Vielleicht hatte Lilith recht. Das dämonische Ritual, mit dem ein Vampir geschwängert wurde, wollte er sich lieber gar nicht erst vorstellen. So etwas würde enorme Kraft erfordern, und es müssten außerordentlich dunkle Mächte am Werk sein.
»Genau. Aber leider konnte es keinen Anteil von ihm haben. Manche Dinge sind wirklich nicht möglich. Natürlich war ein sterblicher Mann beteiligt, aber er war durchaus willig, zumindest am Anfang.« Über ihr Gesicht huschte ein Ausdruck, der vielleicht Bedauern war. »Das spielt keine Rolle. Über all die Jahrhunderte hinweg vererbte sich die Anlage immer nur an das älteste Kind, immer ein Mädchen. Sie schlummerte und wartete darauf, erweckt zu werden. Als Lily geboren wurde, wusste ich, dass sie diejenige war. Die Erste, bei der sich jemals ein Mal bildete. Mein Mal.«
»Ihr habt sie die ganze Zeit im Auge behalten?«
»Viel mehr, als alles im Auge behalten, konnte ich in all diesen langen Jahren nicht tun.« Liliths Stimme klang jetzt schroff. »Aber wie du gesehen hast, kann ich die Meinen, wenn es drauf ankommt, durchaus beschützen. Selbst wenn es mich alles kostet, was ich noch habe«, fügte sie, sanfter jetzt und erschöpft, hinzu. Ty wurde bewusst, wie alterslos diese Frau war. In gewisser Weise empfand er Mitleid mit ihr, obwohl sie durchaus viel Ähnlichkeit mit den Blaubluten hatte, die er kannte. Sie strahlte eine gewisse Rücksichtslosigkeit aus, eine gnadenlose Entschlossenheit, zu erhalten, was Ihres war. Sie würde jeden aus dem Weg räumen, der sich ihr zu widersetzen wagte.
Diese Einstellung kannte Ty nur zu gut. Ihm wurde klar, wie anders Lily war, wie sehr der menschliche Anteil ihrer Abstammung sie geprägt hatte. Nur deshalb war sie so sanft und mitfühlend.
Lily verfügte über so viel mehr als ihre Vorfahren, das wurde Ty immer mehr bewusst. Lilith wusste das ebenfalls. Vielleicht war das sogar von Anfang an ihr Plan gewesen.
Lilith nickte. »Ja. Ich weiß, was du denkst. Du hast recht. Sie ist mehr, als ich je war. Das meiste, was menschlich an mir war, verlor ich, als ich der erste Vampir überhaupt wurde. Nicht dass ich das bereue, aber ich werde mich immer nach jenen Teilen von mir sehnen, die verloren gingen. Dieses Kind, meine Lily, verfügt über die Stärken und die Schwächen beider Welten.« Lilith legte den Kopf auf die Seite und musterte ihn prüfend. Selbst hier, an diesem Ort, der weder Schlaf noch Wachen war, sah Ty, dass das Licht des Monds einfach durch sie hindurchglitt.
»Ihr werdet euch gegenseitig ergänzen«, sagte sie. »Ihr passt gut zusammen, wenn du sie halten kannst. Wenn du dich meines Geschenks als würdig erweist.«
All die Jahre, in denen man sich über ihn nur lustig gemacht hatte, lagen wie ein Gewicht auf ihm und drohten ihn zu ersticken. Würdig? Er, eine Katze aus der Gosse?
»Meine Abstammung –«
»Ist eine, auf die du stolz sein kannst«, unterbrach Lilith ihn ungeduldig. »Genau wie alle anderen auf ihre. Andere Götter, andere Dämonen, sie alle sahen, was Seth getan hatte, und schufen ihre eigene Vorstellung von unsterblicher Perfektion. Gefährten, Rivalen, Freunde für mich, und ich war dankbar. Wie hätte diese Vielfalt auch nicht großartig sein sollen? Die Unterschiede zwischen uns machten uns gemeinsam stärker. Jene, die lieber teilen und herrschen, wird es immer geben. Meine Lily wird immer Schutz brauchen. Aber Verbündete lassen sich überall finden, auch dort, wo man sie am wenigsten erwartet – wenn du nur willens und klug genug bist, nach ihnen Ausschau zu halten.«
Die Last, die sie auf seine Schultern
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