Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
Name? Er kommt mir so bekannt vor.«
Auf diesem Gebiet fühlte Ty sich gleich sehr viel wohler. »Arsinöe ist Kleopatras jüngste Schwester. Die Dynastie trägt ihren Nachnamen, Ptolemy. Viele ihrer Vorfahren stammten aus Griechenland, was die meisten Leute aber nicht mehr zu wissen scheinen.«
Wieder spürte er, wie Lily ihn anstarrte, allerdings nicht so, wie er sich das gewünscht hätte.
»Kleopatras Schwester.«
»Ja.«
»Du nimmst mich auf den Arm.«
»Nein.«
»Das ist … also pass auf, Tynan, ich gehöre zu diesen Trotteln, die nicht genug schlafen, und ich gebe gern zu, dass ich dann manchmal den Geschichtssender einschalte. Ich erinnere mich, dass ich eine Sendung über Kleopatra gesehen habe. Ich wusste doch, dass ich Arsinöes Namen schon mal gehört hatte. Kleopatra hat alle umbringen lassen, die ihrer Herrschaft gefährlich werden konnten, einschließlich ihrer jüngsten Schwester. Dass die Frau so ein eiskaltes Miststück war, hatte ich bis dahin gar nicht gewusst.«
»Glaub mir, das ist noch immer ein heikles Thema«, erwiderte Ty und zuckte bei dem Gedanken an Arsinöes letzte Schimpftirade, mit der sie über ihre berühmte – und mausetote – ältere Schwester hergezogen war, leicht zusammen. »Kleopatra hat sie wirklich umbringen lassen. Jedenfalls glaubte Kleopatra, sie sei tot. Es war äußerst ungehörig, hochgeschätzte politische Gefangene aus Rom zu töten, aber wie wir alle wissen, war Kleopatra sehr … überzeugend. Es ist eine hässliche Geschichte, und ich will sie hier nicht erzählen. Nur so viel: Als Arsinöe im Sterben lag, empfanden die Götter Mitleid mit ihr. Sekhmet gab ihr das dunkle Geschenk, wie die Königin es nennt. Im Gegenzug sollte Arsinöe dafür sorgen, dass der Ruhm der ägyptischen Götter und Göttinnen im Laufe der Jahre nicht verblasste.«
Lily zog die Nase kraus. »Dann haben sie aber nicht viel an Gegenleistung bekommen. Alte ägyptische Religion ist kein sonderlich gefragtes Thema mehr.«
»Unter den Ptolemy ist es noch sehr lebendig. Und das scheint denjenigen, die sie erschaffen haben, zu reichen.«
»Und was soll dieser ganze Quatsch mit Adeligen und Unterschicht? Sklaven brandmarken? Leute schlecht behandeln wegen etwas, wofür sie vermutlich nichts können?«
Ty schwankte zwischen Ärger, dass sie ausgerechnet diesen Aspekt der Geschichte herausgriff, und Freude, dass sie sich stellvertretend für ihn so empörte. »Was meinst du damit?«
»Sind diese ägyptischen Götter und Göttinnen mit so etwas einverstanden?«
»Müssen sie wohl, nehme ich an«, erwiderte Ty und zuckte mit den Schultern. »Soweit ich weiß, hat man von denen seit über tausend Jahren nichts mehr gehört. Aber selbst wenn …«
»Ja, ich verstehe schon. Du gehörst nicht dazu, also würdest du es auch nicht erfahren.«
Sie fuhren an einer Ausfahrt vorbei, wo die Lichter von Tankstellen und Restaurants einladend den Nachthimmel erleuchteten, und er warf rasch einen Blick auf ihr Gesicht. Dass sie so wütend aussah, verblüffte ihn, und plötzlich wurde ihm bewusst, wie jung sie war und wie alt und zynisch er selbst inzwischen geworden war. Er konnte sich kaum erinnern, wie es war, so kämpferisch zu sein wie Lily. Aber letztlich war es egal, wie sie seine Welt einschätzte. Die Vampirgesellschaft war, wie sie nun mal war. Das Machtgefüge zu hinterfragen, war gefährlich. Man fragte besser nicht, warum ein Mal verehrungswürdig und ein anderes verachtenswert war.
Einmal, vor langer Zeit, hatte er sich gegen die bestehende Ordnung aufgelehnt, aber inzwischen wusste er, dass es seinen Leuten viel schlechter gehen könnte. Er dachte an den unglücklichen Shade, den man halb verhungern lassen und dann als Köder losgeschickt hatte, und sogleich war ihm wieder klar, dass er das Richtige tat.
»Mir ist egal, was du von diesen Regeln hältst, Lily. Ich mache sie nicht. Aber es gibt genügend, die für ihre Durchsetzung sorgen. Meine Möglichkeiten sind begrenzt, und ich habe das Beste daraus gemacht. In meiner Welt richtet sich alles nach dem Mal. Wenn man sich dagegen auflehnt, überlebt man nicht lange.«
Sie verfielen in Schweigen, und Ty fuhr gedankenverloren weiter. Er hatte damit gerechnet, dass Lily sein Leben seltsam fand, sogar abschreckend. Aber es überraschte ihn, wie sehr sie sich über etwas aufregte, das sie als Ungerechtigkeit empfand. Er hatte schon lange keine Zeit mehr damit verschwendet, sich zu fragen, was Außenstehende über die Vampirgesellschaft
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