Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
füllen, auch wenn es eine dumme Frage war. Sie fühlte sich ohnehin denkbar mies. Peinliches Schweigen machte die Sache nicht besser. Und da sie wusste, was kommen würde, wollte sie das Ganze möglichst schnell hinter sich bringen.
»War nicht nötig. Du hast offenbar vergessen, dass ihr nicht als Einzige ziemlich flott auf euren vier Beinen sein könnt«, antwortete er.
»Oh.«
Dann herrschte wieder Stille. Als sie hörte, wie Jaden sich auf dem Sitz ein wenig bewegte, kam es ihr in den Sinn, dass er sich genauso unwohl fühlte wie sie. Lyra biss die Zähne zusammen und wollte gerade den Sprung ins kalte Wasser wagen, da brach Jaden das Schweigen.
»Ich habe dir noch gar nicht gedankt. Dass du mir letzte Nacht das Leben gerettet hast.«
Sie schaute zu ihm hinüber, zu verblüfft, um ihm zu antworten.
»Na ja, das hast du doch vermutlich getan. Ich behaupte nicht, dass ich es allein nicht geschafft hätte, aber …« Etwas verlegen machte er eine kurze Pause. »Also, wahrscheinlich doch nicht. Ich bin dir was schuldig.«
»Aha, äh, gern geschehen.« Seine unerwartete Dankbarkeit traf Lyra unvorbereitet. In Wahrheit hatte sie gar nicht viel über die Ereignisse nachgedacht, die dazu geführt hatten, dass sie schließlich gemeinsam am Boden lagen. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie Jadens Versicherung, den Angreifer nicht erkannt zu haben, für bare Münze genommen hatte.
Schon merkwürdig, einem Vampir so leicht Vertrauen zu schenken. Aber Jaden hatte etwas an sich, dass es einem leichtfiel, ihm zu glauben. Wahrscheinlich zu leicht, dachte sie.
»Du bist mir nichts schuldig«, fügte sie hinzu und lachte nervös auf. »Du hast mich vor Mark gerettet. Ich würde also sagen, wir sind quitt.«
»Einverstanden.« Jaden wirkte erleichtert, als wäre eine schwere Last von ihm abgefallen. Vielleicht waren sie sich in dem Punkt sehr ähnlich, dachte Lyra. Sie hasste es, jemandem verpflichtet zu sein. Der Gedanke, sie könnten etwas gemeinsam haben, löste unverhofft eine gewisse Freude in ihr aus. In ihrer momentanen Stimmung hielt sie dies für gefährlich. Sie fühlte sich schwach und viel zu geneigt, mit jemandem, der dazu willens war, ihre Sorgen zu teilen. Das hieß: mit
ihm
.
»Wir sollten uns auf den Weg machen«, sagte er. »Nachdem ich Eric nun zu Gesicht bekommen habe, dürfte klar sein, dass du alle Hände voll zu tun haben wirst. Am besten, wir schauen noch mal bei dir zu Hause vorbei. Zieh dir was an, worin es sich besser trainieren lässt, und dann kann’s losgehen. Dein Vater hat gemeint, du wüsstest, wo wir hinmüssen.«
Lyra verschlug es einen Moment lang die Sprache. War das alles? Sicher, er hatte gesagt, er wolle später darüber reden, aber … sie wollte nicht länger warten. Es beschäftigte sie ununterbrochen, und sie wollte
jetzt
darüber reden. Sie war müde und frustriert, gab aber die Hoffnung nicht auf, nach dem Gespräch den Kopf etwas freier zu haben.
»Okay, hör mal«, begann sie und wandte sich Jaden zu. »Ich weiß immer noch nicht genau, was da letzte Nacht passiert ist, aber bevor wir weitermachen, sollten wir ein paar Dinge klären.«
Er seufzte und strich sich mit der Hand das Haar nach hinten. »Muss das wirklich sein?«
»Ja, allerdings.« Lyra umklammerte das Steuerrad so fest, dass sie bestimmt Abdrücke hinterlassen würde. »Wenn du mich weiterhin trainieren willst, muss sich das auf eine professionelle Ebene beschränken. Was auch immer das war – das, letzte Nacht –, es darf sich nicht wiederholen. Nie wieder.«
Sie schämte sich, weil sie ihm bei diesen Worten nicht ins Gesicht schauen konnte, aber dann wäre es zu schwierig gewesen, es ehrlich zu meinen. Trotzdem konnte sie den Blick seiner funkelnden Augen auf ihrer Haut spüren. Was sah er in ihr? Selbst wenn sie Männern nicht generell abgeschworen hätte, hätte sie ihm derzeit nichts zu bieten. Vor allem nicht einem Blutsauger.
»Nur aus Neugier«, sagte Jaden leise. »Was ist der Grund, dass du nicht mit mir schlafen willst: Weil ich ein Vampir bin oder weil du die Tochter eines Alphatiers bist?«
Jetzt musste sie ihn doch anschauen, denn die Frage ließ den Verdacht aufkommen, dass er den Verstand verloren hatte.
Seine Neugier schien auch noch echt zu sein. Sie wusste nicht, ob sie ihm für seine Blödheit eine knallen oder ihn aus dem gleichen Grund küssen sollte.
»Beides«, antwortete sie. »Was ist denn das für eine Frage? Du weißt genau, dass unsere beiden Gattungen nicht … dass wir
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