Erbin des Gluecks
um Himmels willen, zusammen, Dad“, raunte Carina ihrem Vater zu. Sie liebte ihn, aber gelegentlich brachte er sie mit seinem Verhalten zur Weißglut. Dann verstand sie, warum ihr Großvater so oft in Wut geraten war.
„Das schert mich einen Dreck“, erwiderte Charles ebenso leise. „Ich habe das Testament gelesen.“
„Und?“ Carina fuhr zurück, als wäre sie von einer besonders bösartigen Wespe gestochen worden, die sich in den Lilien versteckt hatte. „Entspricht es unseren Erwartungen?“
Charles’ Gesicht lief rot an. „Nein … durchaus nicht.“
Carina stellte sich so vor ihren Vater, dass sie das Zimmer und die Gäste im Rücken hatte. Ihre blauen Augen glitzerten kalt. „Und wann, bitte sehr, wolltest du mich darüber informieren?“
Ihr Ton war so schneidend scharf und dem ihres Großvaters so ähnlich, dass Charles erschrak. „Du wirst es früh genug erfahren“, antwortete er. „Ich wünschte, du wärst deinem Großvater weniger ähnlich. Manchmal jagst du mir direkt Angst ein. Aber du hast recht … ich sollte mich zusammennehmen und mehr um die Gäste kümmern. Die meisten sind sowieso nur gekommen, um zu gaffen und zu lästern. Dieses entsetzliche Haus! Wer hat Dad schon gemocht oder verehrt? Sogar der Erzbischof hatte Mühe, einige freundliche Worte zu finden. Er weiß, dass Dads Chancen, in den Himmel zu kommen, gleich null sind.“
Carina verzog spöttisch den Mund. „Unsinn, Dad. Es gibt keinen Himmel!“
„Vielleicht hast du recht.“ Charles lächelte traurig. „Aber wie steht es mit der Hölle? Ein riesiges Vermögen zu erben bringt keinen Segen, Carrie … egal, was du darüber denkst. Du hast keine Ahnung vom wirklichen Leben, dazu bist du zu sehr verwöhnt worden. Du solltest immer nur blendend aussehen. In die Fußstapfen deines Großvaters zu treten ist schwieriger, als wir beide uns vorstellen können. Ich weiß selbst am besten, dass ich nicht den Kopf dafür habe, und ich bin nicht hart genug. Ich gehöre zu denen, die bellen, aber nicht beißen. Wir brauchen jemanden, der so unbeugsam ist wie er … oder war, ehe seine Kräfte abnahmen. Am Ende verließ er sich ganz auf Bryn und den guten Namen Macallan. Sir Theodore war eben kein Schweinehund.“
Carina hätte ihren Vater am liebsten geohrfeigt. Sie hatte ihren Großvater verehrt, wie sie Durchsetzungskraft und Rücksichtslosigkeit bei jedem Mann bewunderte. Für sie waren diese Eigenschaften Vorzüge und keine Charakterfehler.
„Ich höre mir das nicht länger an!“, stieß sie aufgebracht hervor, und dabei wurde ihr Blick noch kälter. „Gramps war ein großer Mann.“
„Das ist deine Meinung“, entgegnete ihr Vater, „aber du wirst kaum jemanden finden, der dir beipflichtet.“ Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, Carina einige Sünden ihres Großvaters zu offenbaren und nur die tödlichen wegzulassen. Doch welchen Sinn hätte das gehabt? „Wir verdanken unseren großen Erfolg vor allem Sir Theodore und stehen tief in seiner Schuld. Jetzt brauchen wir wieder einen Kämpfer, und der bin ich nicht. Ich bin ein Schwächling. Deine Mutter hat mir das vor der Trennung bestätigt, und sie hatte recht. Sie hatte immer recht.“
„Lass Mum aus dem Spiel!“, fuhr Carina auf. „Sie hat uns beide verraten, als sie sich scheiden ließ. Hast du gesehen, wie sie bei den Macallans saß? Der schwarze Schleier war einfach lächerlich. Sie hasste Gramps.“
„Und verachtete mich“, fügte Charles traurig hinzu. „Ich mache ihr daraus keinen Vorwurf. Jedes Mal, wenn Dad mich anbrüllte, sackte ich zusammen wie ein nasser Lappen. Ich habe mein Leben lang nur Verachtung von ihm erfahren und wollte es ihm immer recht machen. Ich konnte mich nie richtig entwickeln. Wen wundert es da, dass mir mit seinem Tod eine unerträgliche Last von den Schultern genommen …“ Er schwieg erschöpft und fuhr nach einer Pause fort: „Heirate Bryn, Carrie … das ist das Beste, was du für dich und uns tun kannst. Alle unsere Probleme würden dadurch gelöst, denn er wäre der richtige Chef für den Forsyth-Konzern. Leider scheint er es damit nicht eilig zu haben.“
Damit traf Charles einen wunden Punkt. „Halt dich da heraus, Dad“, warnte Carina ihn mit blitzenden Augen. „Ich handhabe das auf meine Weise.“
„Zweifellos.“ Charles sah zu Bryn hinüber, der sich mit Francesca unterhielt. Neben seiner stattlichen, athletischen Gestalt wirkte sie trotz ihrer Größe wie eine Lilienblüte auf schwankendem
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