Erbin des Gluecks
aufgeschreckt. Sie fanden jetzt bequem Wasser und Futter. Ihr glattes Fell glänzte und verriet den guten Gesundheitszustand. Noch in wilder Flucht boten sie einen prächtigen Anblick.
Wenn die Maschine ein Camp oder ein Gehege überflog, in dem sich das gut genährte Vieh drängte, schwenkten die Cowboys ihre staubigen Hüte. In halber Entfernung zum Horizont zog eine riesige Herde dahin, wand und drehte sich wie die Regenbogenschlange in den Legenden der Aborigines. Ihr Ziel war das nächste Billabong, wo die Tiere getränkt werden sollten. Mehrere Cowboys ritten neben ihnen her, trieben sie an und sorgten dafür, dass sie zusammenblieben.
Westlich der Ranch brach sich das grelle Mittagslicht an den Hängen des Hill Country mit seinen Türmen, Minaretten und Zinnen, zwischen denen die Höhlen mit den denkmalgeschützten Felszeichnungen der Aborigines versteckt lagen. Um diese Tageszeit schienen die kahlen, fantastisch geformten Berge zu glühen. Frühmorgens überzog sie ein rosiger Schimmer, der sich während des Vormittags über Rosenrot bis zu Feuerrot steigerte und ins Violette wechselte, als die Sonne als flammender Ball unterging. War er verschwunden, breitete sich ein sanftes Blaugrau aus, das von der hereinbrechenden Dunkelheit verschluckt wurde. Im Outback kam die Nacht schnell. Sie senkte sich herab wie ein schwarzer Samtvorhang, über den Myriaden von Sternen hingestreut waren.
Francesca war überglücklich, wieder hier zu sein. Zwei Tage allein mit Bryn! Welche Seligkeit! Sie hatte ihm gegenüber nichts von Carinas Besuch erwähnt und auch nicht gefragt, warum er sie getroffen und ihr von dem geplanten Ausflug nach „Daramba“ erzählt hatte. Sie wollte jeden Streit vermeiden. Ja, sie war sogar bereit, sich ganz zurückzuziehen. Sie würde sich nicht ändern, genauso wenig wie Carina. Sie liebten Bryn beide, aber für Francesca zählte jetzt nur die Zeit, die sie ihn für sich allein haben würde. Das Leben war voll von Enttäuschungen. Vielleicht war dies das letzte Geschenk an sie.
„Wir nähern uns dem Wohnhaus“, sagte Bryn mit einem Lächeln, das alles bedeuten konnte. Was wollte er ihr damit sagen?
Francesca lächelte ebenfalls. Sie liebte diesen Mann und fragte nicht mehr danach, ob sie sich verriet. Es war sowieso von ihren glühenden Wangen und leuchtenden Augen abzulesen. Wer von der wahren, übermächtigen Liebe ergriffen war, wurde ein neuer Mensch und konnte seinem alten Ich nie und nimmer treu bleiben.
Nach der Landung gingen sie Hand in Hand zu dem bereitstehenden Jeep. Bryn spürte Francescas Erregung, die ihren ganzen Körper vibrieren ließ. Er hatte immer das starke Bedürfnis gehabt, sie zu beschützen – zuerst als Kind, dann als heranwachsenden Teenager und auch jetzt, obwohl sie inzwischen eine erwachsene Frau war.
„Du zitterst, Francey“, sagte er. „Was ist los?“ Er wusste, dass er sie mehr begehrte als alles auf der Welt. Er wusste auch, dass er sich schon längst nicht mehr verstellen konnte, doch er musste behutsam vorgehen. Er durfte sie auf keinen Fall erschrecken. Deshalb wartete er. Nur wenn die Entscheidung von ihr selbst kam, würde es zu ihrem Besten sein.
„Gar nichts“, antwortete sie lebhaft. „Ich fühle mich großartig. Du weißt, wie sehr ich dieses Fleckchen Erde liebe.“
„Es ist der schönste Ort auf der Welt“, bestätigte er.
„Du ahnst nicht, was es mir bedeutet, dass dein Herz genauso an ‚Daramba‘ hängt. Jetzt besitzen und lieben wir es gemeinsam.“
Bevor Francesca in den Wagen stieg, fasste Bryn ihren Arm. „Ich muss dir noch etwas gestehen.“
Sofort wich sie zurück. Nein!, schrie eine Stimme in ihr. Nein! Nein! Nein! Verdirb es nicht, Bryn!
„So schlimm ist es nicht“, beteuerte er. Ihr wechselvolles Mienenspiel verunsicherte ihn. Was drückte dieses seelenvolle Gesicht aus? Verzweiflung? Warum fürchtete sie sich vor dem, was er sagen würde? Schnell ließ er die Erklärung folgen. „Ich habe Jili und Jacob freigegeben, damit sie die beiden Tage in Alice Springs verbringen können. Wir werden doch auch ohne sie zurechtkommen, oder?“
„Du hast … was?“ Ihre Stimme drückte Überraschung und grenzenlose Erleichterung aus.
„Irgendwelche Einwände?“
„Als deine gleichberechtigte Partnerin?“ Francesca kämpfte gegen das Verlangen, sich an ihn zu schmiegen und von seiner Kraft überwältigen zu lassen. Doch sie musste aufpassen und sich jeden Schritt genau überlegen. Wurden unerreichbare Frauen nicht
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