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Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Titel: Erbschuld: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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gegangen war.
    »Männer!«, meinte die Hebamme.
    Niedergeschlagen ging Rosaria zu dem kleinen Altar in der Zimmerecke und zündete eine Kerze an. Es standen bereits Blumen und eine kleine Schale mit Florida Water dort. Sie senkte den Kopf und murmelte ein Gebet vor dem Bild, das an die heiligen Steine gelehnt war. Die Hebamme wusste nicht recht, wohin sie den Blick wenden sollte.
    »Yemaya«, flehte Mama, »segne dieses Kind.« Dann drehte sie sich zu ihrer Tochter um. »Magdalena, warum nennst du das Kind nicht Maya, nach Yemaya, der Mutter aller Götter.«
    »Nein«, widersprach Madeleine und sah das Wunder in ihren Armen an. »Ihr Name ist Mikaela.«
***
    Auch wenn sie ihren Augen nicht traute, gewann sogleich ihre Vernunft wieder die Oberhand und relativierte den Schock über Rachels Geburtsdatum. Unsinn, sagte sie sich, sei nicht albern! Das Datum war nur ein verrückter Zufall. Außerdem war Rachel nicht adoptiert worden. Und selbst wenn, wie hoch war dann die Wahrscheinlichkeit, dass sie beide noch in Bath wohnten, und vor allem, dass sie sich auf diese Weise kennenlernten? Wie groß war die Möglichkeit?
    Madeleine legte die Brieftasche in Rachels Handtasche zurück und ließ sich mit einem schlechten Gewissen in ihren Sessel fallen. Das Eigentum eines Patienten zu durchwühlen … es war wirklich unverzeihlich. Etwas Derartiges hatte sie noch nie im Leben getan.
    Sie sah auf die Uhr. Es waren fast fünf Minuten vergangen. Sie versuchte, ihre aufgewühlten Gedanken in ruhigere Bahnen zu lenken. Das Blut stieg ihr ins Gesicht, und Tränen traten ihr in die Augen. Wann würde sie aufhören, hinter einem Phantom herzujagen? Sie konnte doch nicht ihr gesamtes Leben so weitermachen. Wie oft hatte sie es sich ausgemalt – Mädchen auf der Straße, in Bars, Babywagen schiebende Mütter, Kellnerinnen, Kassiererinnen, Fernsehmoderatorinnen. Eine junge Malerin, die sie auf einer Kunstausstellung traf, hätte sowohl vom Aussehen als auch von der Stimme her passen können. Madeleine hatte sich nur mit knapper Not davon abhalten können, sich in eine absolut peinliche Situation zu bringen. Das durfte sich unter keinen Umständen wiederholen!
    Sie schloss die Augen und atmete tief durch, um das heftige Klopfen in ihrer Brust zu beschwichtigen, bevor ihre Patientin zurückkam.
    Rachel setzte sich und sagte mit merklichem Unbehagen in der Stimme: »Nachdem ich also diesen Entschluss getroffen habe, was gibt es nun noch weiter zu besprechen?«
    Madeleine, die noch immer zitterte und etwas atemlos war, musterte sie eingehend. Wer war diese Frau wirklich? Warum war sie hier? Sie musste sich sammeln, beiseiteschieben, was sie gerade getan und gesehen hatte, und sich auf ihre Verantwortung gegenüber ihrer Patientin und auf deren Situation konzentrieren. Rachel hatte einen Wendepunkt erreicht, und dadurch eröffnete sich ein Weg, die Therapie zu vertiefen. Doch obwohl dies ein Punkt war, von dem aus man wirklich vorwärtskommen konnte, war es paradoxerweise gleichzeitig ein Moment, in dem Patienten das Gefühl hatten, ein gewisses Ziel erreicht zu haben, und die Bereitschaft zur Fortsetzung der Therapie im Allgemeinen rapide abnahm.
    »Wissen Sie, Rachel, vermutlich halten Sie es nicht für wichtig, aber ist Ihnen klar, dass ich nicht sehr viel über Sie weiß? Um verstehen zu können, warum Sie in eine Missbrauchsbeziehung gezogen wurden, könnte es helfen, wenn wir untersuchen würden, was …«
    »Ach, jetzt geht das schon wieder los«, unterbrach Rachel sie mit einem freudlosen Lachen. »Das Zeug mit der Nachttopf-Dressur.«
    »Ja, das ist ein guter Anfang«, bestätigte Madeleine. Warum fühlte sie sich dieser Frau gegenüber ständig so unbeholfen? »Erzählen Sie mir etwas über Ihre Kindheit. Wie haben Sie sie empfunden?«
    »Wie ich sie empfunden habe? O Gott.« Rachel sah aus dem Fenster. »Ich soll also die Traumata meiner Kindheit auskotzen?«
    »Nein, Rachel, Sie bestimmen die Themen. Aber warum gehen Sie nicht einfach einmal auf meinen Vorschlag ein? Ich würde gern einen Schritt weitergehen, wenn wir das können, eine größere Verständnistiefe von …«
    »Eine größere Verständnistiefe?«, ahmte Rachel ihre amerikanische Aussprache nach und lachte fröhlich.
    Sie lachte selten mit echter Heiterkeit, und ihre geschwollene Lippe platzte auf und begann zu bluten. Sie zog ein Papiertuch aus der Schachtel auf dem Tisch und tupfte sich damit die Lippe ab. Obwohl sie so verschwollen und verquollen war, bildeten

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