Erdbeerkönigin
wäre, würde ich ihn heute noch nett finden. Aber menschlich sind wir einander eben nie nahegekommen. Ich glaube, für ihn war ich immer ›der kleine Freund‹ von Hubertus.«
Er erwartet keine Antwort von mir, und ich weiß auch nicht, was ich dazu sagen soll.
Mit den Gläsern in den Händen sitzen wir einträchtig nebeneinander, sehen auf das glitzernde Wasser und beobachten die vorbeiziehenden Ruderboote.
»Noch einen Rosé?« Theo hält die Flasche hoch. Während er sorgfältig die perlende Flüssigkeit eingießt und zwei Eiswürfel hinzufügt, erzählt er mit bemerkenswerter Begeisterung und Detailfreude, dass es zum Essen Dorade gibt. Seine Erzählung ist interessanter als jede Kochsendung im Fernsehen, denn er trägt das Rezept vor wie ein Mann, der eine Liebeserklärung macht: atemlos, begeistert und leidenschaftlich.
Ich gebe mir alle Mühe, auf seine Worte zu achten, in denen gehackte Petersilie, Knoblauchzehen, Olivenöl und Zitronensaft vorkommen, aber tatsächlich genieße ich in erster Linie den weichen Klang seiner Stimme und seine blitzenden Augen. Ich kann verstehen, dass sich Hubertus in ihn verliebt hat. Jetzt dringen Theos Worte wieder in mein Bewusstsein. »Zucchini, Schalotten, Tomaten, dazu noch ein paar Zitronenscheiben. Das alles liegt schon im Ofen und gart schön langsam vor sich hin.«
Ich nicke ihm lächelnd zu, nippe an meinem Rosé, und weil von mir sonst nichts erwartet wird, versinke ich zufrieden und leicht beschwipst in sonnendurchfluteten Träumereien. Während ich müßig über das Wasser blicke, klingelt mein Handy. Es ist Nick. Ich stehe auf und mache eine entschuldigende Geste zu Theo. Mit dem Handy am Ohr schlendere langsam durch den Garten zum Wasser.
»Eva, Menschenskind! Wo bist du?«, fährt mich Nick aufgeregt an. Ich atme tief ein.
»Im Moment bei Hubertus, dem Anwalt, der mir geschrieben hat.«
»Wann kommst du zurück?«
Ich blicke über die Alster, die in der Abendsonne leuchtet, und antworte wahrheitsgemäß: »Ich kann es noch nicht sagen. Die Beisetzung ist in zwei Wochen.«
»Was?« Ich weiß, wie Nick klingt, wenn er wütend ist. Nämlich genau so. »
Zwei
Wochen?«
»Ist das deine Art, mir zu sagen, dass du Sehnsucht nach mir hast?«, schieße ich ohne nachzudenken zurück.
Nick verschlägt es nur kurz die Sprache. »Eva, hast du getrunken?«
Ich blicke zum Tisch hinüber, wo mein Roséglas steht.
»Zwei Gläser Rosé. Und ich habe fest vor, noch mehr zu trinken.«
»Mit diesem Hubertus?«
»Ja, mit Hubertus und mit Theo.«
»Wer ist das denn schon wieder?«
»Der Freund von Hubertus.«
»Der ist schwul?« Nick klingt erleichtert.
Ich sehe, wie Theo aufsteht. Er macht mir ein Zeichen, dass er ins Haus geht.
Nick wiederholt: »Du sitzt da also mit einem schwulen Pärchen zusammen?«
Verärgert gebe ich zurück: »Ich sitze mit einem Hamburger Paar zusammen, mit dem du dich bestimmt auch gut verstehen würdest.«
»Warum bist du denn gleich so aggressiv? Ist doch nicht schlimm, wenn jemand schwul ist«, verkündigt Nick tolerant. Dabei kennt er genauso wenig Schwule wie ich. »Immerhin muss ich mir dann ja keine Sorgen machen.«
Auch diese Antwort gefällt mir nicht. Selbst wenn ich mit zwei testosteronstrotzenden Boxchampions zusammensitzen würde, müsste sich niemand Sorgen um mich machen. Am allerwenigsten mein Mann. Doch während ich das denke, kommen mir gewisse Zweifel, ob diese Feststellung schmeichelhaft für mich ist. Untreue war für Nick und mich nie ein Thema. Bisher. Wir haben zwar darüber gesprochen, vor allem am Anfang unserer Liebe. Damals, als wir uns nicht vorstellen konnten, jemals einen Tag ohne einander zu leben. Als die Lust aufeinander so stark war wie Durst an einem heißen Tag und das Bedürfnis, zärtlich zueinander zu sein, so notwendig wie ein warmer Pullover an einem Wintermorgen. In diesen Tagen haben wir noch darüber nachgedacht, ob wir einander glücklich machen. Wir wollten es unbedingt. In unserer ersten gemeinsamen Nacht hat Nick mich an sich gezogen und gefragt: »Wo warst du nur mein ganzes Leben?«
Die Angst, Nick könnte eine andere Frau berühren oder küssen, hat mir einmal den Hals zugeschnürt. Und lange Zeit haben mich seine Berührungen wie auf Knopfdruck elektrisiert. Dass ich eines Tages auf Sex mit ihm verzichten würde, weil ich am nächsten Morgen früh aufstehen muss, hätte ich nie gedacht. Liebe ich Nick noch? Und liebt er mich?
Ich ärgere mich über seinen väterlichen Ton, mit
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