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Erdbeerkönigin

Erdbeerkönigin

Titel: Erdbeerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schütze
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die Knochen nicht mehr mitmachen. Sollen sie sich dann erschießen? Nein! Sie werden sich einen anderen Sport suchen, den sie gemeinsam betreiben können – und bei dem ihre Knochen nicht so gefordert werden.«
    »Schwimmen?« Ich schäme mich, weil ich wie ein eifriges Schulmädchen klinge. Sekundenlang fällt mir die Yogagruppe von Alissa ein.
    Dr. Lenchen sieht den Joggern nach. Dann grinst sie mich an. »Oder Minigolf. Wissen Sie, zwischen zwanzig und fünfzig kann man sich gar nicht vorstellen, wie es ist, alt und hässlich zu werden.« Sie hebt ihre Hände und zupft mit den Fingern die Haut ihres linken Handrückens hoch. »Ich hatte auch einmal schöne Hände mit straffer Haut. Aber wir werden alle älter. Und wenn wir Glück haben, sogar alt.« Sie kichert. »Alt
werden
will jeder, alt
sein
keiner.« Wie sie da so sitzt, in ihrer leuchtend roten Bluse, mit diesen strahlenden Augen und den weichen, weißen Haaren, die aus der klaren Stirn gestrichen sind, passen die Worte »alt« und »hässlich« nicht zu ihr. Ich finde sie attraktiv und könnte mir vorstellen, dass ein Mann dies auch heute noch so empfinden würde.
    Dr. Lenchen bewegen andere Gedanken. Sie erklärt mir mit großem Ernst: »Es ist einzigartig, verliebt zu sein. Es ist wunderbar, jung zu sein. Aber ich wollte mit Johnny auch alt werden.« Sie lächelt. »Wir haben es nur bis mittelalt geschafft, aber ich habe trotzdem das Gefühl, nichts versäumt zu haben.« Sie fixiert mich. »Und was das Glück angeht: Johnny hatte sogar einmal eine Geliebte. Das war schwer für mich, aber es ging vorbei. Und ich hatte einmal einen verzweifelten Flirt mit einem jungen Assistenzarzt.« Sie schüttelt den Kopf über sich selbst. »Du liebe Güte! So vieles im Leben geht vorbei, und man fragt sich, worüber man sich so wahnsinnig aufgeregt hat. Johnny kannte mich und ich kannte Johnny. Daran hat auch eine andere Frau nichts geändert und kein Assistenzarzt. Das waren Komparsen. Wir aber spielten die Hauptrollen. Und das bisschen Sex?« Sie macht eine wegwerfende Handbewegung. »Nicht unwichtig, aber auch nicht das Einzige. Was uns verband, war tief. Wir fühlten uns füreinander bestimmt – als Menschen, als verwandte Seelen. Zärtlichkeit, Verzeihen und Verständnis waren wirklich wichtig.« Sie sieht mich fast verschwörerisch an. »Sex kann man mit sehr vielen Menschen haben – also, theoretisch. Oder zumindest mit mehreren Menschen. Wir haben früher immer gesagt: Es ist einfacher, mit einem Menschen zu schlafen, als mit ihm eine erfolgreiche OP hinter sich zu bringen.« Sie lächelt mir frech zu. Dann wird sie wieder ernst. »Der letzte Satz war ein Witz. Aber das Zuhause, Eva, das Zuhause kann für mich nur ein einziger Mensch sein.« Dr. Lenchen streckt sich. »Ich glaube, ich muss jetzt langsam zum Mittagessen gehen.« Sie sieht sich im Café um. »Himmel, was für ein philosophischer Vormittag! Tschechow, der Tod, die Liebe, der Sex.« Sie schweigt für einen Moment. »Leider gibt es für das Leben keine Gebrauchsanweisung. Jeder Tag ist neu. Aber das ist auch immer die Chance zu einem neuen Anfang.«

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    12 . Kapitel
    Was glaubst Du, warum enden derart viele Ehen in Scheidung?
(Gesprächsstoff: Original)
    Immer noch Mittwoch, Tag 8
    N achdenklich verlasse ich das Seniorenheim und schlendere Richtung Bahnhof. Auf der Bank, auf der wir am Vortag Stani haben pausieren lassen, nehme ich einen Moment lang Platz. Ob meine wackligen Beine auf das Joggen oder auf diesen »philosophischen Vormittag« zurückzuführen sind, weiß ich nicht.
    Ich denke an Dr. Lenchens Worte. »Das Zuhause kann für mich nur ein einziger Mensch sein.« Wer war dieser Mensch für Daniel? Für mich ist es Nick. Und diesmal setzte ich selbst in Gedanken kein »eigentlich« dahinter. Aber wird es Nick und mir wie Dr. Lenchen und Johnny gelingen, unsere Veränderungen zu bejahen? Wir sind doch jetzt schon so weit voneinander entfernt. Wenn man zurückblickt, so sind es wohl meistens die ersten zwei, drei Jahre in einer Liebe, die man als die glücklichsten erlebt hat.
    Mich erfüllt große Sehnsucht. Nicht nach der Verliebtheit, als Nick und ich uns kennenlernten. Sondern nach der Zukunft mit ihm. Ich denke noch einmal an Johnny und Dr. Lenchen. Auch ich möchte mit Nick nichts verpassen. Aber was, wenn es schon zu spät ist?
    Auf dem Weg zum Bahnhof sehe ich unter der Bahnbrücke tatsächlich die Akkordeonspielerin sitzen, über die sich Billie am Samstag lautstark

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