Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdbeermond: Roman (German Edition)

Erdbeermond: Roman (German Edition)

Titel: Erdbeermond: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
wattierten Umschläge innen mit Silberlamé aus. Damit war ich erst nach acht fertig, weil es wegen meiner ramponierten Nägel länger dauerte. Dann verwandelte ich mich in ein menschliches Fließband. An dem einen Ende des Tisches klebte ich einen Adressaufkleber auf den Umschlag, dann ging ich einen Schritt weiter, nahm eine Packung Augencreme von dem ersten Stapel, einen Abdeckstift von dem zweiten und eine Antifaltencreme vom dritten, steckte sie in den Umschlag, nahm eine Hand voll Silbersterne und sprenkelte sie darüber, klebte den Umschlag zu und warf ihn in die Ecke, dann ging es wieder von vorne los.
    Ich hatte schnell einen Rhythmus raus. Aufkleber, Packung eins, zwei, drei, in den Umschlag, Sterne, zukleben, in die Ecke werfen. Aufkleber, Packung eins, zwei, drei, in den Umschlag, Sterne, zukleben, in die Ecke werfen. Aufkleber, Packung eins, zwei, drei, in den Umschlag, Sterne, zukleben, in die Ecke werfen.
    Es hatte etwas sehr Beruhigendes, und ich hatte schon eine ganze Weile geweint, bevor ich es bemerkte. Obwohl es kein richtiges Weinen war, sondern mehr ein freier Tränenfluss. Die Tränen liefen mir über das Gesicht, ohne dass ich etwas tat – kein Schluchzen und Schniefen, keine bebenden Schultern. Es war sehr friedlich. Ich weinte die ganze Zeit, während ich so beschäftigt war, und abgesehen davon, dass meine Tränen die Tinte auf einigen Adressaufklebern verwischte, richtete ich keinen Schaden an.
    Als ich fertig war, war es Mitternacht. Aber alle einhundertfünfzig Pakete lagen bereit für die Auslieferung am nächsten Morgen.

    Mein Taxifahrer war gut und verrückt. Er hatte einen riesigen Schnurrbart und lange Locken, über die er unablässig redete. Er sagte, er sei wie Samson: Er trage seine Manneskraft in den Haaren, aber alle seine Frauen wollten, dass er sie sich schneiden ließ, denn »sie wollen mich schwach machen«. Auf der Skala für verrückte Taxifahrer erreichte er mühelos siebeneinhalb von zehn Punkten, und ich hatte das Gefühl, dass er speziell von Aidan geschickt worden war: Es war mitten in der Nacht, ich hatte sechzehn Stunden ohne Unterbrechung gearbeitet, und er wollte mich aufheitern.

FÜNFZEHN
    Wieder eine Mail von Helen.

    An: [email protected]
    Von: [email protected]
    Thema: Arbeit!

    Erster Tag der Überwachung von Detta Big. Im Gebüsch im Garten von großem, freistehendem Hauses in Stillorgan, Fernglas auf das Schlafzimmerfenster gerichtet.
    Sie ist um die fünfzig, runder Po, dicke Titten, ledriges Dekolleté. Schulterlange blonde Haare, mit Lockenschere behandelt.
    Kleidung: hochhackige Schuhe, beigefarbener (Bouclé-)Rock und Pullover. Keine Einbuchtungen oder Dellen in der Arschgegend zu sehen, auch nicht mit Teleobjektiv. Trägt wahrscheinlich Unterrock und Hüftgürtel mit Stahlstreben. Sieht aus wie alternde Nachrichtensprecherin, vielleicht.
    Um zehn vor zehn zog sie sich Mantel an. Wir gingen aus. Ließen großen silberfarbenen BMW (ohne jeden Charme) stehen und gingen zu Fuß zur Kirche. Sie wollte zur Messe! Ich setzte mich hinten auf eine Bank, dankbar, nicht in einer Hecke zu kauern.
    Anschließend ging sie zum Zeitungsladen, kaufte die Herald Tribune , ein KitKat, eine Packung Benson & Hedges und eine Rolle Pfefferminzbonbons (extra stark). Dann wieder nach Hause, ich nahm meinen Platz im Gebüsch wieder ein. Sie setzte Kessel auf, machte Tee, saß vorm Fernseher, rauchte, starrte ins Leere. Um ein Uhr stand sie auf, ich dachte: Bitte, lass uns ausgehen. Aber sie machte sich eine Suppe und Toast, setzte sich wieder vor den Fernseher, rauchte, starrte ins Leere. Gegen vier stand sie auf, und ich dachte, jetzt geht’s los, aber sie wollte nicht raus – sie fing an staubzusaugen. Mit großem Eifer. Ist das nicht vollkommen verrückt?
    Nach dem Sauganfall ging sie in die Küche, machte Tee, rauchte, starrte ins Leere. Hoffentlich wird es morgen etwas aufregender.

    Und eine Mail von Mum …

    An: [email protected]
    Von: [email protected]
    Thema: Organisiertes Verbrechen

    Liebe Anna,
    bei uns sieht es nicht gut aus. Helen kümmert sich nicht mehr um unser »häusliches« Problem (Hundescheiße). Sie hat zu viel mit dem neuen Auftrag zu tun. Sie kehrt die »feine Dame« heraus, weil sie jetzt mit bekannten Verbrechern Umgang hat. Wenn ich gewusst hätte, nachdem wir so viele Opfer für eure Bildung auf uns genommen haben, dass meine jüngste Tochter so enden würde, hätte ich keinen von euch zur Schule geschickt. Ein

Weitere Kostenlose Bücher